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Das »Disarmed Enemy Forces«-Lager in Siershahn (Westerwald - Mai bis September 1945)
Von Dr. Ekkehart Guhr
1989 veröffentlichte der kanadische Schriftstelle James Bacques sein berühmtes Buch Der geplante Tod (Ullstein, Frankfurt/Main). Bacques führt darin Beweise an, denen zufolge die US-Amerikaner und die Franzosen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die in ihre Hände gefallenen deutschen Gefangenen vorsätzlich durch Unterernährung und Krankheiten, aber auch durch wahlloses Erschießen massenweise umkommen ließen. Als einer der Hauptverantwortlichen für diesen Massenmord bezeichnet Bacques General Dwight D. Eisenhower. Als Reaktion darauf veröffentlichte das Eisenhower Center der Universität New Orleans 1992 eine apologetische Schrift des Titels Eisenhower and the German POWs. Facts against Falsehood (Louisiana State University Press, hgg. von G. Bischof und S.E. Ambrose). Diese Veröffentlichung war für den linken Historiker Manfred Messerschmidt ein Anlaß, Bacques der Legendenbildung zu bezichtigen und der amerikanischen Besatzungspolitik im allgemeinen sowie General Eisenhower im besonderen ein gutes Zeugnis auszustellen (FAZ, 1.2.1994, S. 29). An diesem Artikel entzündete sich der Unmut nicht nur einiger deutscher Leser, die die Zustände in den alliierten Kriegsgefangenenlagern miterlebt hatten (vgl. Leserbriefe in der FAZ vom 10.2. und 26.3.1994.). Auch J. Bacques nahm diesen Beitrag zum Anlaß, Messerschmidt Ungenauigkeiten und Mängel in seinem Artikel vorzuhalten (FAZ, 12.3.1994). Prof. Messerschmidt und sein Mitarbeiter Dr. Overmanns untermauerten ihre Kritik in der Ausgabe 4/1994 der Zeitschrift Damals unter anderem, indem sie sich auf einen Bericht bezogen, der die Zustände in einem der vielen US-Gefangenenlager beschreibt, nämlich dem des Lagers Siershahn. Messerschmidt und Overmanns benutzten die in diesem Bericht genannten Todeszahlen, um daraus eine Gesamtopferzahl zu extrapolieren. Sie verschwiegen aber, daß die in dem Bericht beschriebenen Zustände die von Bacques geschilderten vorsätzlichen Zwangsmaßnahmen bestätigen, die zum Tode der Häftlinge führten: Wahlloses Erschießen von Häftlingen, Verweigerung ärztlicher Hilfe, unzureichende Ernährung sowie katastrophale Unterbringung und Kleidung. Zudem ergibt sich aus dem Kontext des von Messerschmidt zitierten Berichtes, daß eine Extrapolation der darin genannten Todeszahlen auf die alliierten Lager insgesamt nicht möglich ist.
Der Autor des von Prof. Messerschmidt angeführten Beitrages, Dr. Ekkehard Guhr, hat sich daher gegen diesen Mißbrauch seines Berichtes gewandt und uns gebeten, seine Abhandlung in Gänze abzudrucken, was hiermit geschieht.
Auf dem Friedhof der Gemeinde Siershahn befindet sich eine Kriegsgräberstätte, die 1961 in Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eingerichtet wurde. Der Besucher kann bei einem Blick auf die Todesdaten der hier Begrabenen erfahren, daß diese nicht Opfer von Kampfhandlungen im letzten Weltkrieg waren, sondern erst nach der Kapitulation der letzten deutschen Truppenverbände - also nach dem 9.5.1945 - ums Leben kamen.
Die Ortschronik Geschichte der Gemeinde Siershahn berichtet an vier Stellen über ein Gefangenenlager in Siershahn und, daß es sich bei den Beerdigten um Tote aus diesem Gefangenenlager handelt.[1]
Das Lager wurde sieben Wochen, nachdem amerikanische Truppen am 26.3.1945 Siershahn besetzt hatten, in der Nähe des Bahnhofs Siershahn und angelehnt an einen Hang mit dem Namen Berggarten eingerichtet.[2]
Die Vorgänge in diesem Lager liegen heute mehr als 50 Jahre zurück. Auch angesichts der zutreffenden, aber notwendigerweise kurz gefaßten Schilderungen in der Geschichte der Gemeinde Siershahn gibt es heute zwei Beweggründe, auf die damaligen Geschehnisse noch einmal zurückzukommen:
1. Der kanadische Journalist James Bacques hat 1989 umfangreiche Recherchen über das Schicksal ehemaliger deutscher Soldaten, die nach der Kapitulation 1945 von den Alliierten in Lagern gefangen gehalten worden waren, in seinem Buch Der geplante Tod - Deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945 - 1946[3] veröffentlicht. Bei seinen Nachforschungen war er auf zufällige Berichte ehemaliger Gefangener und auf Unterlagen der Alliierten aus dem Jahr 1945 angewiesen. Bei den letzteren mußte er feststellen, daß diese nicht nur wenig geordnet, sondern auch sehr lückenhaft und häufig in der Absicht, die Verhältnisse in den Lagern zu vertuschen, verfälscht waren. Die noch heute erschreckenden Enthüllungen Bacques über die Geschehnisse in den Lagern werden gelegentlich bezweifelt oder auch absichtlich geleugnet. Der folgende Bericht stützt die Glaubwürdigkeit der Aussagen Bacques über die Verhältnisse in den von den Amerikanern und Franzosen geführten Lagern. Er beruht auf Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen ehemaliger Gefangener des Lagers Siershahn.
2. Diese Überlebenden des Lagers befinden sich heute am Ende ihres Lebens, als Zeitzeugen sterben sie hinweg. Sie gehörten zu der Generation Deutscher, die in ihren jungen Jahren dazu verurteilt war, an einem Krieg teilzunehmen, dessen politische Hintergründe und Vernichtungsdynamik sich ihnen mit dem Nahen des schrecklichen Endes mehr und mehr verdeutlichte. Wie alle Soldaten standen sie unter dem Gesetz von Befehl und Gehorsam, waren sie Figuren in der Auseinandersetzung der Mächtigen um die Macht. Als Sieger waren sie Helden, als Besiegte wurden sie zu tragischen Opfern. Als letztere mußten die ehemaligen deutschen Soldaten auch noch nach dem Krieg in großer Zahl mit ihrem Leben, ihrer Gesundheit und ihrer Arbeitskraft zahlen. Dieser Bericht möchte eine bleibende Solidarität mit dem Schicksal der Opfer, die damals in elender Weise sterben mußten, anmahnen, indem er ihre letzte Zeit noch einmal vergegenwärtigt. Er möchte daran erinnern, daß die heute erreichte Freundschaft zwischen den damaligen Gegnern der Versöhnung über den Gräbern der Opfer - zu der in der Regel die ehemaligen Soldaten und Gefangenen als erste bereit waren und sind - eingedenk bleiben muß. Denjenigen, die die Gräber- und Gedächtnisstelle auf dem Friedhof Siershahn schufen und pflegen, gebührt der Dank aller, die damals im Lager ausharren mußten.
Das Lager
Am 13.5.1945 begannen die Amerikaner den Ausbau des Lagers Siershahn auf einer Fläche von ca. 100 Morgen Kartoffel- und Haferacker auf dem Gelände der Firma Keramchemie.[4] Die Gebäude der Firma waren vorher geplündert und demoliert worden. Auf dem Gipfel des Hügels, an dem sich das Lager hochzog, stand ein großer Kugelbaum, die sog. Piuslinde, die 1876 gepflanzt worden war und mit ihrer großen Krone noch heute den ehemaligen Standort des Lagers markiert. Das Gelände war von zwei 2 Meter hohen Stacheldrahtzäunen umgeben. Zwischen diesen befand sich ein Laufgang für die Bewacher. Auf vier Wachttürmen waren MG-Stände eingerichtet. Lagerwärts gab es vor dem Zaun zusätzlich eine 2 Meter breite Absperrung mit einem 1/2 Meter hoch gespannten Draht, der eine Zone abgrenzte, die nicht betreten werden durfte.
Lage des DEF-Lagers Siershahn laut Geschichte der Gemeinde Siershahn,[1] S. 294.
Eine Unterteilung trennte sechs Einzelcamps mit je etwa 5.000 Gefangenen voneinander. Am Eingang des Camps war ein 0,70 mal 0,70 mal 2 Meter großer Stacheldrahtkäfig als Strafzelle aufgestellt.[5] Die Verwaltung des Lagers befand sich in den Fabrikräumen, dort dürfte sich auch die Küche befunden haben. Zu den sanitären Anlagen gehörte für jedes Camp eine Abortgrube mit einem »Donnerbalken«, der das Sitzen über dem Grubenrand ermöglichen sollte. Waschwasser floß in einem hochgestellten Leitungsrohr, in das mehrere Löcher gebohrt waren. Die Wasserzuweisung erfolgte unregelmäßig mit tagelangen Pausen, wobei die Gefangenen sich jeweils hundertschaftsweise waschen durften.
Die Belegung des Lagers begann in den ersten Junitagen. Die Angaben über die Gesamtzahl der Gefangenen schwanken zwischen 25.000 und 30.000.[6] Die Gefangenen hatten keinen Überblick über das Ganze des Lagers und auch keinen Einblick in eine zahlenmäßige Erfassung der Lagerinsassen. Daher beruhen Angaben darüber auf Eindrücken und Äußerungen Einzelner. Schriftliches Material über die Belegung von seiten der Lagerverwaltung ist nicht bekannt. Eingepfercht wurden Soldaten der Wehrmacht, der Waffen-SS, Offiziere, Versehrte, Amputierte, Zivilisten, auch Jugendliche. Die Gefangenen wurden über kurze Aufenthalte in Zwischenlagern, zum großen Teil aus dem Sammellager in Naumburg, das anschließend den Russen übergeben wurde, und aus den Lagern Limburg-Dietz und Korbach zusammengeführt.
Ehemalige Lagerinsassen, die mir Aufzeichnungen über ihren Aufenthalt in dem Lager Siershahn zur Verfügung stellten, waren:
H. Reith aus Gladbeck. Er war vom 3.7. - 8.8.1945 in Siershahn
P. Plachta aus Fürth. Er war vom 3.7. - 16.8.1945 im Lager Siershahn
W. Venghaus aus Freudenberg-Oberfischbach. Er war vom 3.7. - 17.8.1945 im Lager Siershahn. Es gelang ihm, sein Tagebuch, das über jeden Tagesablauf genaue Angaben enthält, durch die Kontrollen zu retten.[7]
Der Verfasser selber war vom 4.7. - 3.9.1945 im Lager Siershahn. Seine Aufzeichnungen betreffen in kurzer Form ebenfalls jeden Tag.
Das Leben im Lager
Die eingelieferten Gefangenen waren nicht Kriegsgefangene im eigentlichen Sinn. Sie wurden nach der Auflösung ihrer Einheiten am Tag der Kapitulation auf dem Weg in ihre Heimat- oder Zielorte von den zahlreichen Patrouillen aufgegriffen. Sie lebten in der Vorstellung, daß ihre Festsetzung nur einer geordneten Entlassung dienen könne, da der Krieg ja für sie beendet war. Deshalb machten auf den Lkw- Transporten zu den Lagern nur wenige von Fluchtmöglichkeiten Gebrauch. Sie kamen durchweg in schlechter körperlicher Verfassung in dem Lager an. Hinter ihnen lagen 6-8 Wochen Aufenthalt in den Auffanglagern, in denen es keine menschlichen Lebensbedingungen gab. Das Lager in Naumburg befand sich z. B. in einem Kasernenkomplex, in dem mehrere 10.000 Soldaten so zusammengepfercht waren, daß in der Nacht der Platz auf der Erde nicht dafür ausreichte, daß sich alle hinlegen konnten. Von Anfang an war die Ernährung zum Hauptproblem des Überlebens geworden, denn im Regelfall erhielt der Gefangene 1/2 Liter Flüssigkeit zum Trinken, 1/2 Liter Suppe und 2 Scheiben Brot am Tag. Diese Wochen hatten schon sehr an der körperlichen Substanz der Gefangenen gezehrt.
Bei der Ankunft in Siershahn wurden sie mit Knüppelschlägen auf die umzäunten Felder getrieben, auf denen sofort die Suche nach Eßbarem begann. Sämtliche noch auffindbaren Schnecken und Frösche wurden gefangen und mit Streichhölzern angeröstet. Sie wurden dann mit unreifem Getreide und mit ausgebuddelten erst daumengroßen Kartoffeln gegessen. Nach einem Tag gab es außer Gras nichts mehr, das man sich einverleiben konnte. Aber auch dieses war nach einem Tag verschwunden, gegessen oder ganz in die Erde getreten. Tragisch war, daß einige Kameraden Zugang zu einem mehlähnlichen chemischen Bindemittel der Keramchemie gefunden hatten, dieses in Blechdosen mit Wasser kochten und aßen. Ihr Ansinnen war, noch einmal das Gefühl eines vollen Magens zu haben, auch wenn zu befürchten war, daß dieser Brei Siechtum oder den Tod mit sich bringen konnte.
Es wurde schnell deutlich, daß nun für jeden einzelnen das Überleben mit ständigem Hunger auf freiem Feld im Vordergrund stehen mußte. Alle Tagebuchschreiber führten darum im Sinn eines »heute wieder nicht mehr« exakt Protokoll über die Essensration eines jeden Tages.
Die Lagerküche mußte den ganzen Tag über arbeiten. Sie konnte für die 6 Lager mit je 5.000 bis 7.000 Personen nicht zu gleicher Zeit Kaffee, Suppe und Brot ausgeben. Die Ausgabe erstreckte sich darum nach einem Plan über den ganzen Tag. So konnte es dazu kommen, daß ein Camp im Wechsel von der ersten auf die letzte Stelle der Ausgabezeit erst zum Abend des darauf folgenden Tages die nächste Mahlzeit bekam.[8]
Am Morgen gab es in der Regel 1/2 Liter Kaffee, um die Mittagszeit eine Wassersuppe. Sie wurde mit einer an einem Holzstiel befestigten Konservendose ausgegeben. Die Menge schwankte zwischen 1/2 und 3/4 Liter. In der Zusammensetzung wechselten die Suppen: Milchsuppe, Mehlsuppe, Gemüsesuppe, Kartoffelsuppe. Manches Mal enthielt sie nur 3 oder 4 Kartoffelschalen, immer schauten mehr Augen herein als heraus. Ab Ende Juli kamen statt Suppe wiederholt Pellkartoffeln zur Ausgabe, etwa 250 Gramm, das waren 3-5 Kartoffeln, je nach Größe pro Person. Dazu gab es 2 Eßlöffel Soße, mal Fleisch- oder Zwiebelsoße. Brot war die einzige feste Nahrung, aber dieses gab es nicht jeden Tag. So warteten die Gefangenen vom 11. - 15.7. vergeblich auf ein Stück Brot. Ich selber war noch im Besitz eines Kerzenstummels. Dieser wurde mehrmals am Tage gekaut, um die Festigkeit der Zähne zu erhalten. In dem Tagebuch des Kameraden Venghaus ist die Brotration eines jeden Tages bis auf das Gramm genau angegeben. Das war deshalb möglich, weil ein Brot jedesmal auf eine bestimmte Zahl von Personen geteilt werden mußte. So gab es z. B. am 29.7. für 7 Mann ein 1.000 Gramm Brot. Dieses war die größte Brotration pro Person in der gesamten Lagerzeit. In der Regel mußten sich 10 Mann ein Brot teilen, dann entfielen 150 Gramm Brotration auf den Tag. Leider gab es auch Tage, an denen sich 11, 16 oder 20 Mann ein Brot teilen mußten. Es war zusätzlich deprimierend, daß nach Regentagen, insbesondere nach dem 24.8. das Brot stark verschimmelt ausgegeben wurde. Die Brote wurden ungeschnitten in einer Decke in das Lager zu jeder Hundertschaft gebracht. Die Aufteilung fand dann in Gegenwart aller Zehnergruppenmitglieder statt, die das Schneiden in Scheiben genau kontrollierten, weil es um jedes Gramm ging. Das traf in besonderer Weise zu, wenn es gelegentlich Butter gab. Auch hier ließ sich die Ausgabemenge an der Personenzahl, für die ein 250 Grammpäckchen ausgegeben wurde, genau feststellen. Die Portion, die etwa alle 10 Tage verteilt wurde, betrug 5-7 Gramm pro Person. Für die Einteilung wurden alle möglichen Schneidewerkzeuge aus Büchsenblech verwandt. Am 13.8. wurde als besondere Vergünstigung ein Messer für jede Hundertschaft zum Brotschneiden ausgegeben.
Statt Brot, Suppe oder Pellkartoffeln gab es gelegentlich wenig geeigneten Ersatz wie z.B. 3 grüne ungekochte Stangenbohnen oder 40 Gramm Mehl und 10 Gramm Tomatenmark oder 10 Rosinen pro Person. Etwa 3-4 mal in der gesamten Lagerzeit erhielt jeder Gefangener etwas Salz.
Die permanente Hungersituation führte zur Bildung eigenartiger Phantasiegruppen, die zu sechs oder acht Mann zusammensaßen und sich gemeinsam Rezept-Zusammensetzungen und das Verspeisen von reichlichen Mahlzeiten vorstellten. Sie achteten darauf, daß sie dabei nicht von Neugierigen gestört wurden und ließen als Neuzukömmling nur den zu, der in der Lage war, ein besonderes, noch unbekanntes Rezept einzubringen.
In der Geschichte der Gemeinde Siershahn ist erwähnt, daß die Bürgermeister der Umgebung des Lagers und Helferinnen des Roten Kreuzes aus Siershahn mit vielen Bitten an die französische Lagerverwaltung alles Mögliche versuchten, um Brot und Kartoffeln in das Lager zu bringen. Dieses entgegen dem Verbot für die Bevölkerung, mit Insassen des Lagers Kontakt aufzunehmen. Die Tätigkeit von Wohlfahrtsverbänden und dem Deutschen Roten Kreuz war von den Amerikanern und Franzosen in ihren Besatzungszonen verboten. Bauern, die in Sichtweite des Lagers pflügen wollten, wurden mit Schüssen zur Flucht gezwungen. Umsomehr ist den damaligen Helfern aus Siershahn und Umgebung für ihren unerschrockenen Einsatz für die große Zahl der Lagerinsassen zu danken. Im Vergleich mit anderen »Rheinwiesenlagern« - so wurde ein Teil der alliierten Lager in der Rheinnähe genannt - dürfte das Lager Siershahn durch diese Hilfe einen Vorteil gehabt haben, der viele geschwächte Männer gerettet hat, denn die von der Lagerverwaltung vorgesehene Verpflegung konnte das Existenzminimum niemals decken. Spürbar wurde diese Hilfe in der Ausgabe von frischen Kartoffeln ab der zweiten Hälfte des Monats Juli, die aus den Gaben der Bevölkerung gekommen sein müssen.
Eine Kontaktmöglichkeit mit der Außenwelt gab es für die Kameraden, die Lagertote auf dem Friedhof eingraben mußten.[9] Es war üblich, Zettel mit Namen und Lebenszeichen mit einem Stein zu beschweren und in einem unbewachten Augenblick zu hinterlassen oder wegzuwerfen. Päckchen, die daraufhin für einzelne bei der Lagerverwaltung abgegeben wurden, haben die Adressaten allerdings nur in Ausnahmefällen erreicht. Ich habe nicht erlebt, daß in meinem Umkreis irgend jemand etwas erhielt. Die Gaben mußten über die Bewacher weitergegeben werden, die diese sicherlich konfisziert haben. Der Kamerad Venghaus schreibt dazu unter dem 14.8.:
»Um 20,30 Uhr wurden durch eine Abordnung der Bevölkerung Liebesgaben für uns bei der Lagerkommandantur abgegeben. Ausgegeben an uns wurden sie aber nicht, vielleicht morgen.«
Am nächsten Tag vermerkt er:
»Von den gestrigen Liebesgaben sehen wir nichts.«
Der Hunger war groß im Lager. Jeder spürte, daß die Lebensenergie mehr und mehr abnahm und sich ein langsames Sterben von innen heraus im Körper ausbreitete. Direkter und massiver kam der Tod von außen. Willkürlich schossen die Posten in der Nacht aber auch tagsüber auf die Gefangenen im Lager. Nach dem »Zapfenstreich« - ein Hornsignal - um 22 Uhr mußten die Gefangenen zu je 10 Mann wie die Ölsardinen in einer geöffneten Büchse nebeneinander liegen, abgeteilt durch Lagergassen zwischen den Zehner-, Hunderter- und Tausenderschaften. Mit Autoscheinwerfern versuchten die Posten die Gefangenen zu blenden. Bis zum Wecken um 6 oder 7 Uhr durfte sich niemand bewegen. Man mußte darauf achten, daß man sich nicht im Schlaf umdrehte oder sich Teile der Kleidung oder der Decke im Wind bewegten. Es wurde andererseits ohne jeden erkennbaren Grund geschossen. Ich erinnere mich an einen Kameraden, dem nachts wenige Meter neben mir die Gurgel durchschossen wurde. Keiner konnte irgendeine Hilfe leisten, er hätte sein und anderer Leben dabei riskiert.
Als in der Nacht zum 6.7. die amerikanischen Posten 6 Gefangene tödlich verwundet und mehrere verletzt hatten, wurde es nötig, Schutzmöglichkeiten vor den Schüssen der Posten zu suchen. Mit Händen, Löffeln und Blechdosen versuchte jeder allein oder zu dritt oder viert Deckungsgruben in die Erde zu graben, die mindestens 30 cm tief und 2 Meter lang sind. Die deutsche Lagerverwaltung hatte in den Gebäuden der Keramchemie alle noch auftreibbaren Dachlatten, Pappstücke, Verdunklungspapiere und Bindfäden gesammelt und zum Abdecken der Erdlöcher ausgegeben. Diejenigen, die noch eine Decke oder eine Zeltplane hatten, versuchten damit einen Schutz gegen den Regen und Wind zu schaffen. Der Westerwald ist für seine kalten Winde bekannt, zudem war der Sommer 1945 sehr regnerisch. Das Wasser lief von den schlammigen Lagergassen in die Deckungslöcher. Es mußte tagsüber mit Konservendosen wieder herausgeschöpft werden. Viele lagen nächtelang mit durchnäßten Sachen in den Löchern. Manche flüchteten heraus auf die aufgeworfene Erde, um dem Wasser und dem Schlamm zu entgehen. Sie mußten dafür die Angst, von den Posten angeschossen zu werden, in Kauf nehmen. Schlimm waren die dran, die versucht hatten, ihre Schlaflöcher mit Erde abzudecken. Pappe und Papier konnten den stundenlangen Regengüssen nicht standhalten, der zu Schlamm gewordene Regen- und Kälteschutz fiel auf die Schlafenden und drohte sie zu ersticken. Die sich nicht mehr selber befreien konnten, riefen um Hilfe. Es konnte ihnen aber vor dem Wecken niemand helfen, da ja jede Bewegung verboten war. Nach dem Wecken wurden die Toten und Verletzten der vergangenen Nacht zur Lagerverwaltung gebracht. Es ist nicht bekannt, ob diese in der Lage war, Listen über die Opfer anzulegen. Die Gefangenen selber konnten nur in ihrer unmittelbaren Umgebung die Anzahl der Opfer registrieren. In den Aufzeichnungen befinden sich folgende Angaben: Alle Zeugen schildern den 8.7. als besonders schrecklich. Dieser Tag war sehr heiß, es gab kein Essen und einzelne konnten sich nicht mehr auf den Beinen halten. Gegen 18 Uhr kamen in Schützenreihe bewaffnete Franzosen, sie lösten die amerikanischen Posten ab. Es ist bis heute unklar, wer diese Bewaffneten waren. Auf Grund ihres Verhaltens läßt sich vermuten, daß sie nicht reguläre Soldaten sondern ehemalige Maquis, also Partisanen aus der französischen Widerstandsbewegung waren.[10] Den Zapfenstreich um 22 Uhr leiteten sie gleich mit einer andauernden Schießerei ein. In der darauf folgenden Nacht gab es dann wieder ein große Zahl von Opfern. Am Morgen wurden 5 Tote und 10 Verwundete von mir gezählt.[11] Am 15.7. ist 1 Toter mit Kopfschuß registriert, am 22.7. 1 Toter und 4 Verwundete, am 29.7. gibt es kurz nach dem Wecken um 6 Uhr 3 Tote und 3 Verwundete, am 31.7., 5.8. und 6.8. jeweils einen Verwundeten. Mit dem 11.8. wird wieder ein besonders schwerer Tag registriert: Die Gefangenen müssen den ganzen Vormittag über in Reih und Glied stehen und dürfen sich nicht bewegen. Angeblich sind in der Nacht zuvor einige Kameraden im Schutze des Regens geflüchtet. Plötzlich werden über Lautsprecher die Tausendschaftsführer aufgefordert vorzutreten. Beim Verlassen der Reihe wird sofort auf sie geschossen, der Führer der 7. Tausendschaft bricht mit einem Kopfschuß tödlich verletzt zusammen. Am 12.8. 1 Verwundeter, am 19.8. gegen 18 Uhr eine längere Zeit andauernde Schießerei mit einer unbekannten Zahl von Toten und Verwundeten, am 20.8. wird unser Hundertschaftsführer am Abort erschossen - nach Gerüchten von dem Lagerkommendanten selber - am 1.9. 14 Verwundete, am 2.9. 1 Gefangener, der mit dem Posten am Zaun sprechen will, wird von diesem erschossen. Die Geschichte der Gemeinde Siershahn berichtet, daß auch Gefangene in die Kommandantur zum Verhör abgeholt und danach sogleich erschossen wurden.[12]
Die Seiten 32 bis 35 aus dem Tagebuch von Paul Plachta, Oberführberger Str. 67, D-90768 Fürth/Bay., im Besitz des Autors.
Die Angst, Not und Verzweiflung, die durch dieses willkürliche Schießen unter den hungernden Gefangenen verbreitet wurden, gibt der eindrückliche Bericht des Kameraden Venghaus über das langsame Sterben eines getroffenen Kameraden in der Nacht zum 25.7. exemplarisch wieder:
»Nachdem es wieder etwas ruhiger geworden ist, höre ich in unmittelbarer Nähe hinter unserem Deckungsloch ein furchtbares Gestöhne. Es reißt überhaupt nicht ab. Auch meine Unterstandskameraden lauschen. Draußen ist es sehr windig. Es rappelt und flattert überall. Auch an unserer Bude flattert ein Deckenzipfel. Wir machen diesen Zipfel wieder fest und lauschen weiter auf das Jammen. "So helft mir doch! - Au, tut das weh!" Und so geht es laufend weiter... Es ist schrecklich anzuhören. Immer und immer wieder. "Oh helft mir doch! Es tut so weh! - Wasser, Wasser!" Vereinzelt wird immer noch geschossen... Verhaltene Rufe sind zu hören: "Was ist passiert?" - "Könnt ihr nichts machen?" - "Soll ich mal rüberkommen?" - "Bleib lieber wo Du bist, die Schweine schließen sonst!" Das herzzerreißende Jammern und Stöhnen unseres getroffenen Kameraden reißt nicht ab. Stunden vergehen. Jetzt erlebe ich in unmittelbarer Nähe, was sich seit unserem Eintreffen fast Nacht für Nacht abspielt. Nacht für Nacht Schießereien der Posten mit Toten und Verwundeten. Wenn man nicht selbst Getroffener oder in unmittelbarer Nähe eines Getroffenen Zeuge einer solchen Szene ist, kann man gar nicht ermessen, wie brutal und grausam alles ist. Das morgendliche Gerede und Gefrage, wieviel Ausfälle hat es in der Nacht gegeben, war schon zur täglichen Routine geworden. Es berührte den Einzelnen gar nicht mehr. Dies hier war anders. Inzwischen war es drei Uhr geworden. Es beginnt zu regnen. Die Stimme des getroffenen Kameraden wird nach und nach leiser. Die Zeiträume zwischen den einzelnen Schmerzensäußerungen werden größer. Es ist zum Gotterbarmen. Immer wieder dazwischen die Worte: "Mama, Mama, Mama!" Jetzt scheint er auch schon zu phantasieren, denn es kommen jetzt Sätze wie: "Hilf doch Deinem Jungen!" - "Ich habe mir doch so weh getan!" Als die Nacht dem Morgen weicht, ist es ganz still geworden. Es ist nichts mehr zu hören. In ohnmächtiger Wut fragen wir uns: "Ob er noch lebt?" - "Ist er gestorben?" Das Schlimmste aber ist die bohrende Frage: Warum muß das sein? Und: Was hast du selbst getan um zu helfen? Nichts! Du hast nur in deinem Drecksloch gelegen und wenn es zu schlimm wurde, die Finger in die Ohren gesteckt - wie Vogel Strauß seinen Kopf in den Sand - und dabei gedacht, warum hört er denn nicht endlich auf. Man hat den Herrgott angefleht, laß ihn doch in Ohnmacht fallen, damit er seine Schmerzen nicht mehr spürt. Laß endlich morgen werden, damit wir ihn zur Lagerkommandantur in ärztliche Behandlung abgeben können. Das war alles. Man schämt sich seiner. Aus Wut wird Haß. Der Haß wird immer größer, nicht nur auf die anderen, die Posten, nein auf sich selbst, weil man nicht helfen kann oder glaubt, nicht helfen zu können. Und wenn ich noch -zig Seiten damit fülle, so werde ich doch nicht in der Lage sein, alle meine Empfindungen in dieser Nacht niederzuschreiben. Nur noch eins: Haß ist das eine, Verzeihen das andere. Doch als Trost für alle bleibt: Die Vergebung der Sünden liegt in Gottes Hand. - Kurz vor dem Wecken - es ist jetzt hell - kommen vom Lagergebäude, der Kommandantur zwei Mann mit einer Bahre. Wie wir vermutet hatten, halten sie in der 2. Lagergasse hinter uns - etwa zehn Meter entfernt - und laden jemanden auf. Dahei rufen sie: "Bleibt in Euren Löchern, der Schießbefehl ist noch nicht aufgehoben, für uns gilt eine Ausnahme!" Später hieß es, der Kamerad habe einen Bauchschuß erhalten, er habe beim Abtransport noch gelebt, er war bewußtlos. Was aus ihm geworden ist? Ich halbe nichts mehr darüber gehört. Er war noch blutjung.«
Wieviele Tote es in diesen Sommermonaten im Lager Siershahn gegeben hat, ist heute nicht mehr feststellbar. Die Gräberstätte auf dem Friedhof Siershahn hat 69 Beisetzungen. Die Chronik der Gemeinde zählt 92 Lagertote. Nachforschungen haben ergeben,[13] daß weitere 18 Tote aus dem Lager Siershahn mit Sterbedaten zwischen dem 11. und 29.7. in Dernbach (4), Ebernhahn (4) und in Mogendorf (11) begraben worden sind. Wievielen es gelang, der Lagerumzäunung lebend zu entkommen, wird auch unbekannt bleiben. Dieses dürfte nur sehr wenigen gelungen sein. Nach der einzig bekannten Flucht einiger Kameraden in der Nacht zum 11.8. mußten alle Gefangenen drei Stunden zur Strafe stehen, dabei wurde die Warnung verkündet, daß in Zukunft für jeden Geflohenen 15 Kameraden erschossen würden.[14]
In die Lagerzeit fiel eine drei Wochen andauernde Regenzeit. Sie hat neben der Unterernährung zum Kräfteverfall der Geschwächten beigetragen. Nach dem 19.8. brach im Lager die Ruhr aus, die ihre Opfer forderte.[15] Häufig trat Durchfall auf. Er wurde möglicherweise durch ungekochte Kartoffeln und rohes Gemüse begünstigt. Nachts wurde es für die Betroffenen schwierig, sie konnten nicht zum Abort gehen. Da mußten Konservendosen herhalten. Andererseits war der geregelte Stuhlgang - da es zu wenig Festes zu essen gab - auch schwierig. Es kam nur alle 4-5 Tage dazu und das unter langem, schmerzlichem Pressen. Jeder hatte mehr oder weniger Schwierigkeiten mit Gliederreißen und mit den Knochen. Das Fleischpolster war weg, und beim Liegen schmerzten bald Druckstellen, sie ließen einen ruhigen Schlaf nicht zu.
Zu den niederdrückenden Regeln gehörte das zweimalige Antreten zum Vollzähligkeitsappell an jedem Tag. Alle Gefangenen mußten ohne Rücksicht auf ihre Verfassung in Zehner-, Hunderter- und Tausenderblocks in der Reihe stehen. Drei oder mehr Bewacher zählten einzeln nacheinander die Reihen ab, verglichen ihre Zahlen und begannen bei Unstimmigkeit von vorn. Das konnte stundenlang dauern. Wenn Kameraden aus Schwäche umfielen, durften sie nicht aufgehoben und gestützt werden. Die Zähler stiegen über sie hinweg. Zweimal (am 22. und 23.7.) mußte das ganze Lager von 7:30 bis 12:30 Uhr, bzw. 11 - 13 Uhr geschlossen stehen bleiben. Es hieß, ein General wolle das Lager besichtigen, er erschien aber nicht.[16] Deprimierend war auch das wiederholt durchgeführte »Filzen«, eine Kontrolle der Habseligkeiten des einzelnen Gefangenen. Schon bei der Einlieferung in die Sammelzentren waren vielen Kameraden Ringe und Uhren abgenommen worden. Jetzt im Lager ging es um die letzte persönliche Habe. Angetreten in einer Reihe, mußte jeder sein Eigentum vor sich auf dem Boden aufgereiht hinlegen. Die Bewacher nahmen sich, was ihnen noch brauchbar erschien oder zerschlugen es, wie z. B. die kleinen Butterdosen, die einmal zur Ausrüstung gehört hatten. Man mußte auf Tricks verfallen, um etwas zu retten, Geld oder Aufzeichnungen am Körper und in leeren Zahnpastatuben verstecken. Schlecht erging es denjenigen, die noch gute Schuhe und diese nicht durch aufgenähte Flicken oder andere Verunzierungen »getarnt« hatten. Sie waren sie los. Einzelne Posten unternahmen - nachdem sie die Außenposten verständigt hatten - Raubzüge durch das Lager. Sie rissen den Kameraden die Schuhe von den Füßen und ließen auch noch Decken mitgehen.[17] Beim letzten »Filzen« vor dem Abtransport aus dem Lager wurde noch einmal stundenlang Jagd auf letzte persönliche Habe gemacht. Dabei wurden auch noch vorhandene doppelte Kleidungstücke, wie Hemden und Socken abgenommen.
Wie hat die Außenwelt das Lager erlebt? Dazu eine Stimme aus der Geschichte der Gemeinde Siershahn. Graf Meran suchte am 27.8. die Werksleitung der Keramchemie auf. Dabei konnte er das Lager einsehen. Er berichtet:
»Ein Blick von der Ferne in das Lager war ein Blick ins Elend und in Trostlosigkeit, da sich die Erde vom Bahnhof bis zur Höhe des Berges bewegte von Menschen, die im Schlamm der Erde, die durch die häufigen Regengüsse sich in einen Sumpf verwandelt hatte, lagen - ein Inferno, das derjenige, der es gesehen hat, niemals vergessen wird. Was durch Hunger, Krankheit und Verzweiflung Tausende damals auf nackter Erde erleben mußten, ist unvorstellbar, und viele Menschen haben das Lager nicht mehr lebend verlassen. Ununterbrochen fielen Schüsse, und es war lebensgefährlich, sich dem Stacheldraht zu nähern.«[18]
Dennoch - überleben wollten alle Gefangenen. Der Krieg war ja vorbei. Ich habe von keinem Selbstmord im Lager gehört. Viele wußten, daß sie keine Heimat mehr hatten. Sie lebten mit der Frage, ob die Angehörigen tot oder an unbekannte Orte vertrieben waren. Die Söhne von Bauern sahen mit Schmerzen, wie das Getreide auf umliegenden Feldern wuchs und geerntet wurde. Sie fragten sich, wie die Arbeit zu Hause ohne sie geschafft würde. Man versuchte, sich mit vorhandenen Dingen zu beschäftigen. Aus Teilen von Decken wurden Kleidungsstücke genäht, dazu Fäden gezogen und von irgend jemand eine Nadel eingetauscht. Ein König war, wer ein Buch besaß. Er konnte ausleihen, und was wichtiger war, gegen andere Bücher tauschen. Je dicker ein Buch war, desto größer waren die Chancen, viel Lesestoff wiederzubekommen. So intensiv sind Bücher wohl selten gelesen worden, sie halfen für kurze Zeit, die Umwelt zu vergessen. Getauscht wurde alles, was noch vorhanden war und entbehrlich erschien: Ringe, Uhren, Strümpfe, Briefmarken, Rasierklingen zumeist gegen ein Stückchen Brot oder gegen Zigaretten. Gemeinsame Äußerungen eines religiösen Lebens waren unmöglich. Zweimal versuchten einige Kameraden, sich zu einer Andacht in einen Kreis zu stellen, sie wurden durch Schüsse auseinandergetrieben. Es galt: Viel liegen, um Kräfte zu sparen, solange es die durchdrückenden Knochen zuließen. Und die Sonne, wenn sie mal schien, auszunutzen. Die Gedanken waren auf das tägliche Überleben ausgerichtet: Warten auf das Essen, warten auf Sonne und Wärme. Und auf die Zukunft. Jeder hatte Sehnsucht danach, noch einmal wie ein zivilisierter Mensch essen, schlafen und sich waschen zu können. Die Vorstellung von einem geregelten Leben ohne die ständige Angst, jederzeit angeschossen werden zu können, war wie ein ferner Traum.
»Kriegsgräber (1961), hier wurden mindestens 65 ehemalige Insassen des Kriegsgefangenenlagers "Berggarten" beerdigt, die dort entweder erschossen wurden oder verhundert sind.« Geschichte der Gemeinde Siershahn,[1] S. 384.
Ab Anfang August kamen Gerüchte auf, daß das Lager bald geräumt werden solle. Tatsächlich wurden Offiziere, Jugendliche und Versehrte mit unbekanntem Ziel aus dem Lager weggebracht. Daran knüpften viele die Hoffnung, daß sie entlassen würden und daß dies der Anfang einer allgemeinen Entlassung sein könnte. Dann aber wurden sog. Marschblocks zu je 500 oder 1.000 Mann zusammengestellt. Angeblich sollten diese in ein 30 km entfernt liegendes Lager marschieren. Nun hieß es, ein französischer Arzt, den allerdings niemand gesehen hatte, habe den Marsch nicht genehmigt, weil die Gefangenen dazu körperlich nicht mehr in der Lage seien. Zwischendurch aber verstummte nicht das Gerücht, daß alle Gefangenen zu 25 Jahren Zwangsarbeit in Frankreich verurteilt seien. Als schließlich ab 16.8. die ersten Marschblöcke auf Lkw getrieben wurden, begleitete diese die wohl gezielt verbreitete Parole, daß sie in ein Barackenlager nach Andernach gebracht würden, um dort registriert und entlassen zu werden. Andererseits aber wurde auch verkündet, daß auf einen jetzt noch vorhandenen Besitz einer Landkarte oder eines Kompasses die Todesstrafe stehe.
Das Ziel Andernach sollte für die Gefangenen aus Siershahn stimmen. Statt der erwarteten Baracken aber gab es dort auch nur wieder freies Feld und statt der Entlassung Knüppelschläge, mit denen die von den Lkw Springenden in die Umzäunungen getrieben wurden. Hier gab es nichts zum Schutz, keine Erdlöcher, keine Decken oder Zelte. Bald darauf erfolgte die Verladung in Viehwaggons mit Zielbahnhöfen in Frankreich.
Die Bestimmung des DEF-Lagers Siershahn
Das Lager in Siershahn war nur eines in der Reihe der Gefangenenlager, die die Alliierten nach dem 9.5.1945 anlegten. In diesen hielten sie vornehmlich ehemalige Soldaten, aber auch Zivilisten beiderlei Geschlechts, Jugendliche und Versehrte gefangen. In anderen Lagern ist es wahrscheinlich auf Grund der Zusammenballung einer noch größeren Anzahl von Gefangenen grausamer als in Siershahn zugegangen. Zumal es hier der Bevölkerung gelang, gegen die militärische Verwaltung etwas Lebensmittelhilfe durchzusetzen.
In diesen Lagern waren die ehemaligen deutschen Soldaten in eine groß angelegte Falle der Sieger geraten. Da sie der Meinung waren, daß sie nach der Kapitulation nicht mehr als Kriegsgefangene angesehen werden können, lebten sie in dem arglosen Glauben an ihre Entlassung aus dem Militärverhältnis. Aber die Politik der Alliierten hatte längst anderes beschlossen. Nach der alliierten Forderung der bedingungslosen Kapitulation der Achsenmächte im Januar 1943 auf der Konferenz von Casablanca erklärte NS-Propagandaminister Goebbels bekanntlich am 18.2.1943 den »totalen Krieg«. Spätestens aber nach dem mißglückten Attentat auf Hitler kamen in der Politik der Gegner Deutschlands diejenigen vollends zum Zuge, die zusätzlich zur bedingungslosen Kapitulation den staatlichen und wirtschaftlichen Untergang Deutschlands forderten.[19] Diese "totale Sieg"-Strategie betraf auch gerade die Gefangenen, die den Siegern nach ihrem Sieg in die Hände fielen. Als mit der Kapitulation alle alliierten Gefangenen, die während des Krieges in deutscher Gefangenschaft waren, wieder die Freiheit erlangt hatten, nahmen die Sieger keine Rücksicht mehr auf international gültige Regeln in der Behandlung von Menschen. Mit der Auflösung der deutschen Regierung gab es für die Verlierer auch keine Vertretung mehr.
Die Amerikaner schufen für die deutschen Soldaten, die nach der Kapitulation gefangen genommen wurden, den neuen DEF-Status (Disarmed Enemy Forces). Dieser völkerrechtswidrige Status beinhaltete, daß die Gefangenen nicht wie Kriegsgefangene behandelt werden durften: Das Internationale Rote Kreuz durfte keinen Zugang zu diesen Lagern bekommen, Die Gefangenen durften keine Verbindung zur Außenwelt haben und keine Post empfangen. Die Verpflegung mußte unter das Existenzminimum reduziert werden.[20] Der amerikanische Befehlshaber Eisenhower ordnete am 21.4.45 an, daß die Gefangenen auf freiem Feld in Stacheldrahtumzäunungen unterzubringen waren. Er verbot ausdrücklich, Unterkünfte einzurichten.[21] Ursprünglich betrug die Flächenbewilligung für einen Gefangenen 16 qm. In der Realität betrug sie dann zeitweilig nur 3 qm.[22] Mit diesen rigorosen Maßnahmen wurde - verbunden mit der Auszehrung der Männer durch den Hunger und die Witterungseinflüsse - erreicht, daß Fluchtmöglichkeiten geradezu ausgeschlossen wurden.[23] Die Engländer und Kanadier schlossen sich dem Verhalten der Amerikaner und Franzosen nicht an.
Die Überführung der Gefangenen in den tödlichen DEF-Status begann am 4.5.1945. Nach dem Zahlenmaterial, das Bacques vorlag, sind 2.126.545 Gefangene zwischen dem 4.5. und 2.6.45 in diese Situation gekommen.[24] Was diese Gefangenen nicht wußten und was sich in den Lagern schließlich gerüchteweise verdichtete, war, daß der größte Teil von ihnen längst dazu verurteilt war, nach Frankreich zur Zwangsarbeit deportiert zu werden.
Ursprünglich sollen dafür 1.750.000 Gefangene von den Franzosen angefordert worden sein. Sie sollen jedoch nur etwa 730.000 - 886.000 Gefangene - in der Mehrzahl in den Monaten Juli bis September 1945 - erhalten haben.[25] Schon bei der Überstellung müssen Absicht und Willkür der Sieger in Widerspruch geraten sein. Einerseits sollten die Gefangenen für den Einsatz in Frankreich arbeitsfähig sein, andererseits tat man alles, um sie zu dezimieren und verhungern zu lassen. Die Verhältnisse führten bald zu Auseinandersetzungen zwischen Amerikanern und Franzosen, die sich gegenseitig die Schuld an dem massenhaften Sterben der Gefangenen zuschoben. Sie führten zu Lügen,[26] Rücktritten von französischen Lagerkommandanten, die vergeblich versuchten, willkürliche Erschießungen einzudämmen, und Appellen von verschiedenen Seiten an die französische Regierung mit der Feststellung, daß die Situation der deutschen Gefangenen schlimmer als in den ehemaligen deutschen Konzentrationslagern sei. Wiederholt werden in diesem Zusammenhang die Lager Buchenwald und Dachau genannt.[27] Auch in Amerika wurde Widerspruch laut. Dorothy Thompson schrieb:
»Dieses Land hat mit unserer Zustimmung, mit unserer Komplizenschaft und in Verletzung der Genfer Konvention (Gefangene) als Sklavenarbeiter eingesetzt [...] Wenige mögen sich jetzt erinnern, daß Präsident Roosevelt sich im September 1944 dem deutschen Volk gegenüber ausdrücklich verpflichtet hat, als er sagte: "Die Alliierten treiben keine Sklaverei mit Menschen." Und sie stellte dann die Frage: "Begreifen es denn nur wenige Menschen, daß wir nach unserem Sieg über Deutschland, wenn wir Hitlers Maßstäbe und Hitlers Methoden übernehmen, Hitler zum wahren Sieger machen?"«[28]
Schließlich ließ Eisenhower die weitere Überstellung der Gefangenen an die Franzosen mit der Begründung einstellen, sie seien an dem massenhaften Sterben der Lagerinsassen schuldig. Zu dieser Zeit war es schon nicht mehr möglich, eine zutreffende Zahl der Toten in den Lagern festzustellen, weil die Gefangenen zwar gezählt, nicht aber namentlich registriert wurden. Bacques schätzt die Zahl der Toten auf zweifelslos mehr als 800.000.[29] Wer sollte auch die Toten insgesamt listenmäßig erfaßt haben, die die Transporte nach Frankreich nicht überlebten?[30]
Ohne Zweifel handelte es sich bei den von den Amerikanern und Franzosen geschaffenen Verhältnissen in den Lagern um einen Racheakt für die von der nationalsozialistischen Regierung begangenen Verbrechen in den Konzentrationslagern.[31] Für diese aber waren die deutschen Soldaten nicht verantwortlich. Das Unrecht, das ihnen angetan wurde, wird dadurch drastisch erhellt, daß zu der gleichen Zeit im Prozeß in Nürnberg die Deutschen Speer und Saukel dafür verurteilt wurden, daß sie aus den besetzten Ländern zwangsweise Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft heranzogen.[32] Die Zielvorstellung der Alliierten für die Gefangenenlager - wie in Siershahn - war neben einer Bereitstellung von Hunderttausenden für die Deportation auch der Vorsatz, Rache zu üben.
Schließlich lag die Rettung für die Überlebenden darin, daß sich in der amerikanischen Öffentlichkeit der Widerspruch gegen die Rachepolitik, die dem ganzen deutschen Volk Hunger und Elend verordnete, bemerkbar machte. Und die französische Seite mußte begreifen, daß Sterbende und körperlich Schwache keine Arbeitsleistungen erbringen konnten. Auch suchten sie für ihre kriegerische Auseinandersetzung in Vietnam aus dem deutschen Gefangenenreservoir Soldaten für ihre Fremdenlegion zu pressen. Diese »Freiwilligen« wurden im Sichtbereich der Lager aufgepäppelt. Zudem veranlaßte der sich abzeichnende Ost-West-Konflikt die Alliierten zu einer vorsichtigeren Behandlung der Deutschen. Ab 1948 veränderte sich darum die Situation der Gefangenen in Frankreich. Vorher aber war es für viele Gefangene entscheidend, daß sie - wenn sie nicht gerade in einen kasernierten Einsatz in Kohlegruben oder in Minensuchkommandos gerieten - Kontakt mit der französischen Zivilbevölkerung bekamen, die sich überwiegend in menschlicher Weise zu den abgezehrten Gefangenen verhielt, und ihnen trotz des Kontaktverbotes mit Nahrungsmitteln half, wieder auf die Beine zu kommen.[33]
Auch die deutsche Öffentlichkeit ist schnell über die Ereignisse des ersten Nachkriegsjahres hinweggegangen. Sie mußte und wollte sich mit den Siegern arrangieren. Trauer und der vergebliche Ruf nach Gerechtigkeit wurde in Ost und West zum Schicksal des einzelnen. Ebenso wie die Wirklichkeit in den deutschen Konzentrationslagern vor der eigenen Bevölkerung abgeschirmt wurde, so verboten auch die Sieger, daß über die Greuel in ihren Lagern gesprochen wurde. Damit wurde die Berechtigung eines Schuldbewußtseins nur der deutschen Seite zugesprochen, für die alliierte Seite aber nicht zugelassen. Es kam zu einer Komplizenschaft in der politisch opportunen Lüge:
»So glaubten die verwundeten Deutschen, überzeugt wie wir, daß wir solche Dinge nie und nimmer tun könnten, ebenso fest wie wir, daß wir solche Dinge auch nicht getan hatten.«[34]Die Unterdrückung von Wahrheit und Gerechtigkeit in der ersten Nachkriegszeit war ein schlechter Grundstein für die nach dem Krieg entstehenden Regierungssysteme in Ost- und Westdeutschland. Sie begleitet uns bis heute in Gestalt einer selbst auferlegten Geschichtslosigkeit mit den Folgen einer brüchigen Identität. Diese wird durch einen Mangel an Glaubwürdigkeit in die Politik und an ihre Vertreter verstärkt. Sie führt zu einer Besorgnis erregenden Schwäche des politischen Systems der Bundesrepublik, die nach der Vereinigung deutlich zu Tage tritt.
[1] Geschichte der Gemeinde Siershahn, Siershahn 1986 (nachfolgend Siershahn); S. 294f.: Karte, auf der die Umrisse des Lagers eingetragen sind; S. 363f.: persönlicher Bericht des Priesters H. Hopmann über seine Gefangenschaft in diesem Lager; S. 383ff. »Die Kriegsgräberstätte«; S. 397f.: Chronik des Deutschen Roten Kreuzes Siershahn.
[2] Der Hang hat eine Höhe von 340 m. Die amerikanische Bezeichnung für das Lager hieß PW Stockade A-18.
[3] James Bacques, Der geplante Tod - Deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945-1946, Ullstein, Frankfurt/Main 1989.
[4] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 295.
[5] In Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 385, wird unter der Nr. 65 für einen Gestorbenen als Todesursache »Behandlung in der Arrestzelle« angegeben. Vermutlich ist mit der Arrestzelle dieser Käfig gemeint.
[6] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 397: 25.000 - S. 295: ca. 30.000 Gefangene.
[7] W. Venghaus, »Tagebuch des Kriegsgefangenen POW 31g-1.050.762 bzw. PGNrs A - 402/1.155.168.«, in: Die Hellebarde, Nachrichten der Kameradschaftsvereinigung, Suchdienst Frundsberg 9/1986.
[8] So am 30.9. und 5.8 in unserem Camp. Besonders schlimm war für das ganze Lager der 8.7. Er blieb ohne Verpflegung, weil die Franzosen an diesem Tag das Lager übernahmen.
[9] H. Schmidt gibt in Der Freiwillige 6/1991, Munin Verlag, S. 22, den Bericht eines Siershahner A. Franke wieder, der Augenzeuge der Beerdigungen war: Je 12 Gefangene hätten die mit Papier bedeckten Toten auf mehrere Wagen zum Friedhof gebracht und in die Grube geworfen. In dem Massengrab auf dem Friedhof Siershahn seien nicht 69, sondern 84 Tote begraben. Nach dem Begraben habe der verantwortliche Franzose von den Gefangenen ein Küßchen verlangt.
[10] W. Venghaus vermutet, daß es sich um sog. Gaullisten gehandelt habe. H. Reith schreibt, daß es sich um Soldaten der F.F.I. (Forces Françaises de l'Interieur), einen Teil der franz. Widerstandskräfte, gehandelt habe.
[11] W. Venghaus vermerkt am 9.7. 6 Tote und mehrere Verwundete und am 29.7. 2 Tote und 1 Verwundeten. Kamerad Venghaus und ich müssen innerhalb des Lagers in verschiedenen Camps gewesen sein. Darum weichen die Zahlenangaben ab, sie können jeweils nicht für das ganze Lager gelten.
[12] Der Priester H. Hopmann berichtet: »Eines Abends gegen 11 Uhr wurden drei solcher Kameraden tot in das Lazarett gebracht. Sie waren - das konnte man an den Leichen deutlich sehen - aus einer Entfernung von etwa 3-4 mtr. mit Maschinenpistolen erschossen worden.« Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 363 f.
[13] Lt. Mitteilung Archiv Jost W. Schneider, Am Deckershäuschen 32, Wuppertal: Betr.: Lagertote des frz. Kgf.-Lagers Siershahn/Westerwald, Sommer 1945. Bez.: bekannt, sowie Prof. Erich Maschke, Kurt W. Böhme, Horst Wagenblaß, Zur Geschichte der dt. Kgf. des 2. W.K. Bd. XIII, Bielefeld 1971.
[14] Nach damaligen Gerüchten ist zwischen 7 und 20 Kameraden die Flucht gelungen.
[15] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 384f, gibt 7 an Ruhr Verstorbene an.
[16] Auch am 3.8. mußten wir von 15:30 bis 20 Uhr und am 11.8. von 10 bis 13 Uhr stehen.
[17] Nach W. Venghaus gelang es am 28.7. einem Kameraden, die französische Kommandantur zum Eingreifen zu veranlassen, als nachmittags wieder Franzosen Gefangene im Lager ausraubten. Die Posten rächten sich in der darauffolgenden Nacht, es gab wieder zwei Tote und einen Verwundeten.
[18] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 295
[19] Siehe dazu die Aktennotiz über die Besprechung zwischen Roosevelt und Churchill vom 16. Sept. 1944 über den Morgenthauplan in J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 24.
[20] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 76 f.
[21] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 47.
[22] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 50 und 61.
[23] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 15: Fluchtversuche machten weniger als 0,1 % aus.
[24] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 251.
[25] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 45, 57 und 228(1).
[26] So wurde in einer amerikanischen "Untersuchung" behauptet: »Alle zu Wiederaufbauarbeiten in Frankreich überstellten Gefangenen waren voll ausgerüstet mit persönlicher Bekleidung, entweder 2 Decken oder einer Decke und einem Mantel, Rationen für 2 Wochen, Medikamenten für 2 Wochen und befanden sich in körperlichem Zustand, der sie zum Arbeitseinsatz befähigte, abgesehen von einer ganz geringfügigen Anzahl, die möglicherweise von amerikanischen und französischen, mit der Ablieferung beauftragten Offizieren übersehen worden ist.«; vgl. J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 127.
[27] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 104, 109, 114, 123 und 131.
[28] J. Bacques, aaO. (Anm. 3) S. 180.
[29] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 15.
[30] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 37 und 138, berichtet, daß Züge nur noch mit Toten an ihren Zielorten ankamen. Dieses habe ich auch von Kameraden gehört. Es ist zu vermuten, daß es sich dabei um Züge handelte, die tage- oder wochenlang abgestellt stehen gelassen wurden. Der Transport, mit dem ich von Andernach nach Lyon gebracht wurde, war 4 Tage und Nächte unterwegs - ohne Verpflegung und Trinken. Beim Halten spielten sich schlimme Szenen ab. Beim Ausladen schlugen die Bewacher solange mit Knüppeln auf die Gefangenen ein, bis alle aus den geöffneten Schiebetüren herausgepurzelt waren und der Elendzug von der Örtlichen Bewachungsmannschaft übernommen war. Dabei konnte niemand von uns feststellen, wieviele Kameraden in den Waggons liegen geblieben waren.
[31] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 21, zitiert Roosevelt: »Wir müssen hart mit Deutschland umgehen, und ich meine das deutsche Voll, nicht nur die Nazis. Entweder müssen wir das deutsche Volk kastrieren, oder man muß die Deutschen in einer Weise behandeln, daß sie nicht immerzu Leute in die Welt setzen, die so weitermachen wollen wie früher.«
[32] A. Speer, Spandauer Tagebücher, Ullstein, Frankfurt/Main 1975, S. 83.
[33] So erging es auch dem Verfasser dieses Berichtes. Bei seinem ersten Arbeitseinsatz Ende 1945 in einer Polizeistation in Lyon gaben die Beamten uns Brot und übernahmen selber schwere Arbeiten, bei denen einige Kameraden aus Schwäche zusammengebrochen waren. Von den Beamten waren einige in deutscher Gefangenschaft gewesen und gut behandelt worden.
[34] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 178.
koszi szepen az elismerest, otthon is jartam iskolaba, oroszul is tanultam,de sajnos mar igen elfelejtettem...
los angelesben csak egy eve vagyok, az elmult husz-egynehany evben meg connecticutban laktam, ott nem sok spanyol ragadt ram....
kerded mi kell meg?
hat szeretnem azt a roman bukkfanyelvet egy kicsit megtanulni, mert a felesegem csikszeredai
legalabb annyira, hogy el tudjam oket oda kuldeni ahova valok.....
Das »Disarmed Enemy Forces«-Lager in Siershahn (Westerwald - Mai bis September 1945)
Von Dr. Ekkehart Guhr
1989 veröffentlichte der kanadische Schriftstelle James Bacques sein berühmtes Buch Der geplante Tod (Ullstein, Frankfurt/Main). Bacques führt darin Beweise an, denen zufolge die US-Amerikaner und die Franzosen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die in ihre Hände gefallenen deutschen Gefangenen vorsätzlich durch Unterernährung und Krankheiten, aber auch durch wahlloses Erschießen massenweise umkommen ließen. Als einer der Hauptverantwortlichen für diesen Massenmord bezeichnet Bacques General Dwight D. Eisenhower. Als Reaktion darauf veröffentlichte das Eisenhower Center der Universität New Orleans 1992 eine apologetische Schrift des Titels Eisenhower and the German POWs. Facts against Falsehood (Louisiana State University Press, hgg. von G. Bischof und S.E. Ambrose). Diese Veröffentlichung war für den linken Historiker Manfred Messerschmidt ein Anlaß, Bacques der Legendenbildung zu bezichtigen und der amerikanischen Besatzungspolitik im allgemeinen sowie General Eisenhower im besonderen ein gutes Zeugnis auszustellen (FAZ, 1.2.1994, S. 29). An diesem Artikel entzündete sich der Unmut nicht nur einiger deutscher Leser, die die Zustände in den alliierten Kriegsgefangenenlagern miterlebt hatten (vgl. Leserbriefe in der FAZ vom 10.2. und 26.3.1994.). Auch J. Bacques nahm diesen Beitrag zum Anlaß, Messerschmidt Ungenauigkeiten und Mängel in seinem Artikel vorzuhalten (FAZ, 12.3.1994). Prof. Messerschmidt und sein Mitarbeiter Dr. Overmanns untermauerten ihre Kritik in der Ausgabe 4/1994 der Zeitschrift Damals unter anderem, indem sie sich auf einen Bericht bezogen, der die Zustände in einem der vielen US-Gefangenenlager beschreibt, nämlich dem des Lagers Siershahn. Messerschmidt und Overmanns benutzten die in diesem Bericht genannten Todeszahlen, um daraus eine Gesamtopferzahl zu extrapolieren. Sie verschwiegen aber, daß die in dem Bericht beschriebenen Zustände die von Bacques geschilderten vorsätzlichen Zwangsmaßnahmen bestätigen, die zum Tode der Häftlinge führten: Wahlloses Erschießen von Häftlingen, Verweigerung ärztlicher Hilfe, unzureichende Ernährung sowie katastrophale Unterbringung und Kleidung. Zudem ergibt sich aus dem Kontext des von Messerschmidt zitierten Berichtes, daß eine Extrapolation der darin genannten Todeszahlen auf die alliierten Lager insgesamt nicht möglich ist.
Der Autor des von Prof. Messerschmidt angeführten Beitrages, Dr. Ekkehard Guhr, hat sich daher gegen diesen Mißbrauch seines Berichtes gewandt und uns gebeten, seine Abhandlung in Gänze abzudrucken, was hiermit geschieht.
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Einleitung
Auf dem Friedhof der Gemeinde Siershahn befindet sich eine Kriegsgräberstätte, die 1961 in Zusammenarbeit der Landesregierung mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eingerichtet wurde. Der Besucher kann bei einem Blick auf die Todesdaten der hier Begrabenen erfahren, daß diese nicht Opfer von Kampfhandlungen im letzten Weltkrieg waren, sondern erst nach der Kapitulation der letzten deutschen Truppenverbände - also nach dem 9.5.1945 - ums Leben kamen.
Die Ortschronik Geschichte der Gemeinde Siershahn berichtet an vier Stellen über ein Gefangenenlager in Siershahn und, daß es sich bei den Beerdigten um Tote aus diesem Gefangenenlager handelt.[1]
Das Lager wurde sieben Wochen, nachdem amerikanische Truppen am 26.3.1945 Siershahn besetzt hatten, in der Nähe des Bahnhofs Siershahn und angelehnt an einen Hang mit dem Namen Berggarten eingerichtet.[2]
Die Vorgänge in diesem Lager liegen heute mehr als 50 Jahre zurück. Auch angesichts der zutreffenden, aber notwendigerweise kurz gefaßten Schilderungen in der Geschichte der Gemeinde Siershahn gibt es heute zwei Beweggründe, auf die damaligen Geschehnisse noch einmal zurückzukommen:
1. Der kanadische Journalist James Bacques hat 1989 umfangreiche Recherchen über das Schicksal ehemaliger deutscher Soldaten, die nach der Kapitulation 1945 von den Alliierten in Lagern gefangen gehalten worden waren, in seinem Buch Der geplante Tod - Deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945 - 1946[3] veröffentlicht. Bei seinen Nachforschungen war er auf zufällige Berichte ehemaliger Gefangener und auf Unterlagen der Alliierten aus dem Jahr 1945 angewiesen. Bei den letzteren mußte er feststellen, daß diese nicht nur wenig geordnet, sondern auch sehr lückenhaft und häufig in der Absicht, die Verhältnisse in den Lagern zu vertuschen, verfälscht waren. Die noch heute erschreckenden Enthüllungen Bacques über die Geschehnisse in den Lagern werden gelegentlich bezweifelt oder auch absichtlich geleugnet. Der folgende Bericht stützt die Glaubwürdigkeit der Aussagen Bacques über die Verhältnisse in den von den Amerikanern und Franzosen geführten Lagern. Er beruht auf Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen ehemaliger Gefangener des Lagers Siershahn.
2. Diese Überlebenden des Lagers befinden sich heute am Ende ihres Lebens, als Zeitzeugen sterben sie hinweg. Sie gehörten zu der Generation Deutscher, die in ihren jungen Jahren dazu verurteilt war, an einem Krieg teilzunehmen, dessen politische Hintergründe und Vernichtungsdynamik sich ihnen mit dem Nahen des schrecklichen Endes mehr und mehr verdeutlichte. Wie alle Soldaten standen sie unter dem Gesetz von Befehl und Gehorsam, waren sie Figuren in der Auseinandersetzung der Mächtigen um die Macht. Als Sieger waren sie Helden, als Besiegte wurden sie zu tragischen Opfern. Als letztere mußten die ehemaligen deutschen Soldaten auch noch nach dem Krieg in großer Zahl mit ihrem Leben, ihrer Gesundheit und ihrer Arbeitskraft zahlen. Dieser Bericht möchte eine bleibende Solidarität mit dem Schicksal der Opfer, die damals in elender Weise sterben mußten, anmahnen, indem er ihre letzte Zeit noch einmal vergegenwärtigt. Er möchte daran erinnern, daß die heute erreichte Freundschaft zwischen den damaligen Gegnern der Versöhnung über den Gräbern der Opfer - zu der in der Regel die ehemaligen Soldaten und Gefangenen als erste bereit waren und sind - eingedenk bleiben muß. Denjenigen, die die Gräber- und Gedächtnisstelle auf dem Friedhof Siershahn schufen und pflegen, gebührt der Dank aller, die damals im Lager ausharren mußten.
Das Lager
Am 13.5.1945 begannen die Amerikaner den Ausbau des Lagers Siershahn auf einer Fläche von ca. 100 Morgen Kartoffel- und Haferacker auf dem Gelände der Firma Keramchemie.[4] Die Gebäude der Firma waren vorher geplündert und demoliert worden. Auf dem Gipfel des Hügels, an dem sich das Lager hochzog, stand ein großer Kugelbaum, die sog. Piuslinde, die 1876 gepflanzt worden war und mit ihrer großen Krone noch heute den ehemaligen Standort des Lagers markiert. Das Gelände war von zwei 2 Meter hohen Stacheldrahtzäunen umgeben. Zwischen diesen befand sich ein Laufgang für die Bewacher. Auf vier Wachttürmen waren MG-Stände eingerichtet. Lagerwärts gab es vor dem Zaun zusätzlich eine 2 Meter breite Absperrung mit einem 1/2 Meter hoch gespannten Draht, der eine Zone abgrenzte, die nicht betreten werden durfte.
Lage des DEF-Lagers Siershahn laut Geschichte der Gemeinde Siershahn,[1] S. 294.
Eine Unterteilung trennte sechs Einzelcamps mit je etwa 5.000 Gefangenen voneinander. Am Eingang des Camps war ein 0,70 mal 0,70 mal 2 Meter großer Stacheldrahtkäfig als Strafzelle aufgestellt.[5] Die Verwaltung des Lagers befand sich in den Fabrikräumen, dort dürfte sich auch die Küche befunden haben. Zu den sanitären Anlagen gehörte für jedes Camp eine Abortgrube mit einem »Donnerbalken«, der das Sitzen über dem Grubenrand ermöglichen sollte. Waschwasser floß in einem hochgestellten Leitungsrohr, in das mehrere Löcher gebohrt waren. Die Wasserzuweisung erfolgte unregelmäßig mit tagelangen Pausen, wobei die Gefangenen sich jeweils hundertschaftsweise waschen durften.
Die Belegung des Lagers begann in den ersten Junitagen. Die Angaben über die Gesamtzahl der Gefangenen schwanken zwischen 25.000 und 30.000.[6] Die Gefangenen hatten keinen Überblick über das Ganze des Lagers und auch keinen Einblick in eine zahlenmäßige Erfassung der Lagerinsassen. Daher beruhen Angaben darüber auf Eindrücken und Äußerungen Einzelner. Schriftliches Material über die Belegung von seiten der Lagerverwaltung ist nicht bekannt. Eingepfercht wurden Soldaten der Wehrmacht, der Waffen-SS, Offiziere, Versehrte, Amputierte, Zivilisten, auch Jugendliche. Die Gefangenen wurden über kurze Aufenthalte in Zwischenlagern, zum großen Teil aus dem Sammellager in Naumburg, das anschließend den Russen übergeben wurde, und aus den Lagern Limburg-Dietz und Korbach zusammengeführt.
Ehemalige Lagerinsassen, die mir Aufzeichnungen über ihren Aufenthalt in dem Lager Siershahn zur Verfügung stellten, waren:
H. Reith aus Gladbeck. Er war vom 3.7. - 8.8.1945 in Siershahn
P. Plachta aus Fürth. Er war vom 3.7. - 16.8.1945 im Lager Siershahn
W. Venghaus aus Freudenberg-Oberfischbach. Er war vom 3.7. - 17.8.1945 im Lager Siershahn. Es gelang ihm, sein Tagebuch, das über jeden Tagesablauf genaue Angaben enthält, durch die Kontrollen zu retten.[7]
Der Verfasser selber war vom 4.7. - 3.9.1945 im Lager Siershahn. Seine Aufzeichnungen betreffen in kurzer Form ebenfalls jeden Tag.
Das Leben im Lager
Die eingelieferten Gefangenen waren nicht Kriegsgefangene im eigentlichen Sinn. Sie wurden nach der Auflösung ihrer Einheiten am Tag der Kapitulation auf dem Weg in ihre Heimat- oder Zielorte von den zahlreichen Patrouillen aufgegriffen. Sie lebten in der Vorstellung, daß ihre Festsetzung nur einer geordneten Entlassung dienen könne, da der Krieg ja für sie beendet war. Deshalb machten auf den Lkw- Transporten zu den Lagern nur wenige von Fluchtmöglichkeiten Gebrauch. Sie kamen durchweg in schlechter körperlicher Verfassung in dem Lager an. Hinter ihnen lagen 6-8 Wochen Aufenthalt in den Auffanglagern, in denen es keine menschlichen Lebensbedingungen gab. Das Lager in Naumburg befand sich z. B. in einem Kasernenkomplex, in dem mehrere 10.000 Soldaten so zusammengepfercht waren, daß in der Nacht der Platz auf der Erde nicht dafür ausreichte, daß sich alle hinlegen konnten. Von Anfang an war die Ernährung zum Hauptproblem des Überlebens geworden, denn im Regelfall erhielt der Gefangene 1/2 Liter Flüssigkeit zum Trinken, 1/2 Liter Suppe und 2 Scheiben Brot am Tag. Diese Wochen hatten schon sehr an der körperlichen Substanz der Gefangenen gezehrt.
Bei der Ankunft in Siershahn wurden sie mit Knüppelschlägen auf die umzäunten Felder getrieben, auf denen sofort die Suche nach Eßbarem begann. Sämtliche noch auffindbaren Schnecken und Frösche wurden gefangen und mit Streichhölzern angeröstet. Sie wurden dann mit unreifem Getreide und mit ausgebuddelten erst daumengroßen Kartoffeln gegessen. Nach einem Tag gab es außer Gras nichts mehr, das man sich einverleiben konnte. Aber auch dieses war nach einem Tag verschwunden, gegessen oder ganz in die Erde getreten. Tragisch war, daß einige Kameraden Zugang zu einem mehlähnlichen chemischen Bindemittel der Keramchemie gefunden hatten, dieses in Blechdosen mit Wasser kochten und aßen. Ihr Ansinnen war, noch einmal das Gefühl eines vollen Magens zu haben, auch wenn zu befürchten war, daß dieser Brei Siechtum oder den Tod mit sich bringen konnte.
Es wurde schnell deutlich, daß nun für jeden einzelnen das Überleben mit ständigem Hunger auf freiem Feld im Vordergrund stehen mußte. Alle Tagebuchschreiber führten darum im Sinn eines »heute wieder nicht mehr« exakt Protokoll über die Essensration eines jeden Tages.
Die Lagerküche mußte den ganzen Tag über arbeiten. Sie konnte für die 6 Lager mit je 5.000 bis 7.000 Personen nicht zu gleicher Zeit Kaffee, Suppe und Brot ausgeben. Die Ausgabe erstreckte sich darum nach einem Plan über den ganzen Tag. So konnte es dazu kommen, daß ein Camp im Wechsel von der ersten auf die letzte Stelle der Ausgabezeit erst zum Abend des darauf folgenden Tages die nächste Mahlzeit bekam.[8]
Am Morgen gab es in der Regel 1/2 Liter Kaffee, um die Mittagszeit eine Wassersuppe. Sie wurde mit einer an einem Holzstiel befestigten Konservendose ausgegeben. Die Menge schwankte zwischen 1/2 und 3/4 Liter. In der Zusammensetzung wechselten die Suppen: Milchsuppe, Mehlsuppe, Gemüsesuppe, Kartoffelsuppe. Manches Mal enthielt sie nur 3 oder 4 Kartoffelschalen, immer schauten mehr Augen herein als heraus. Ab Ende Juli kamen statt Suppe wiederholt Pellkartoffeln zur Ausgabe, etwa 250 Gramm, das waren 3-5 Kartoffeln, je nach Größe pro Person. Dazu gab es 2 Eßlöffel Soße, mal Fleisch- oder Zwiebelsoße. Brot war die einzige feste Nahrung, aber dieses gab es nicht jeden Tag. So warteten die Gefangenen vom 11. - 15.7. vergeblich auf ein Stück Brot. Ich selber war noch im Besitz eines Kerzenstummels. Dieser wurde mehrmals am Tage gekaut, um die Festigkeit der Zähne zu erhalten. In dem Tagebuch des Kameraden Venghaus ist die Brotration eines jeden Tages bis auf das Gramm genau angegeben. Das war deshalb möglich, weil ein Brot jedesmal auf eine bestimmte Zahl von Personen geteilt werden mußte. So gab es z. B. am 29.7. für 7 Mann ein 1.000 Gramm Brot. Dieses war die größte Brotration pro Person in der gesamten Lagerzeit. In der Regel mußten sich 10 Mann ein Brot teilen, dann entfielen 150 Gramm Brotration auf den Tag. Leider gab es auch Tage, an denen sich 11, 16 oder 20 Mann ein Brot teilen mußten. Es war zusätzlich deprimierend, daß nach Regentagen, insbesondere nach dem 24.8. das Brot stark verschimmelt ausgegeben wurde. Die Brote wurden ungeschnitten in einer Decke in das Lager zu jeder Hundertschaft gebracht. Die Aufteilung fand dann in Gegenwart aller Zehnergruppenmitglieder statt, die das Schneiden in Scheiben genau kontrollierten, weil es um jedes Gramm ging. Das traf in besonderer Weise zu, wenn es gelegentlich Butter gab. Auch hier ließ sich die Ausgabemenge an der Personenzahl, für die ein 250 Grammpäckchen ausgegeben wurde, genau feststellen. Die Portion, die etwa alle 10 Tage verteilt wurde, betrug 5-7 Gramm pro Person. Für die Einteilung wurden alle möglichen Schneidewerkzeuge aus Büchsenblech verwandt. Am 13.8. wurde als besondere Vergünstigung ein Messer für jede Hundertschaft zum Brotschneiden ausgegeben.
Statt Brot, Suppe oder Pellkartoffeln gab es gelegentlich wenig geeigneten Ersatz wie z.B. 3 grüne ungekochte Stangenbohnen oder 40 Gramm Mehl und 10 Gramm Tomatenmark oder 10 Rosinen pro Person. Etwa 3-4 mal in der gesamten Lagerzeit erhielt jeder Gefangener etwas Salz.
Die permanente Hungersituation führte zur Bildung eigenartiger Phantasiegruppen, die zu sechs oder acht Mann zusammensaßen und sich gemeinsam Rezept-Zusammensetzungen und das Verspeisen von reichlichen Mahlzeiten vorstellten. Sie achteten darauf, daß sie dabei nicht von Neugierigen gestört wurden und ließen als Neuzukömmling nur den zu, der in der Lage war, ein besonderes, noch unbekanntes Rezept einzubringen.
In der Geschichte der Gemeinde Siershahn ist erwähnt, daß die Bürgermeister der Umgebung des Lagers und Helferinnen des Roten Kreuzes aus Siershahn mit vielen Bitten an die französische Lagerverwaltung alles Mögliche versuchten, um Brot und Kartoffeln in das Lager zu bringen. Dieses entgegen dem Verbot für die Bevölkerung, mit Insassen des Lagers Kontakt aufzunehmen. Die Tätigkeit von Wohlfahrtsverbänden und dem Deutschen Roten Kreuz war von den Amerikanern und Franzosen in ihren Besatzungszonen verboten. Bauern, die in Sichtweite des Lagers pflügen wollten, wurden mit Schüssen zur Flucht gezwungen. Umsomehr ist den damaligen Helfern aus Siershahn und Umgebung für ihren unerschrockenen Einsatz für die große Zahl der Lagerinsassen zu danken. Im Vergleich mit anderen »Rheinwiesenlagern« - so wurde ein Teil der alliierten Lager in der Rheinnähe genannt - dürfte das Lager Siershahn durch diese Hilfe einen Vorteil gehabt haben, der viele geschwächte Männer gerettet hat, denn die von der Lagerverwaltung vorgesehene Verpflegung konnte das Existenzminimum niemals decken. Spürbar wurde diese Hilfe in der Ausgabe von frischen Kartoffeln ab der zweiten Hälfte des Monats Juli, die aus den Gaben der Bevölkerung gekommen sein müssen.
Eine Kontaktmöglichkeit mit der Außenwelt gab es für die Kameraden, die Lagertote auf dem Friedhof eingraben mußten.[9] Es war üblich, Zettel mit Namen und Lebenszeichen mit einem Stein zu beschweren und in einem unbewachten Augenblick zu hinterlassen oder wegzuwerfen. Päckchen, die daraufhin für einzelne bei der Lagerverwaltung abgegeben wurden, haben die Adressaten allerdings nur in Ausnahmefällen erreicht. Ich habe nicht erlebt, daß in meinem Umkreis irgend jemand etwas erhielt. Die Gaben mußten über die Bewacher weitergegeben werden, die diese sicherlich konfisziert haben. Der Kamerad Venghaus schreibt dazu unter dem 14.8.:
»Um 20,30 Uhr wurden durch eine Abordnung der Bevölkerung Liebesgaben für uns bei der Lagerkommandantur abgegeben. Ausgegeben an uns wurden sie aber nicht, vielleicht morgen.«
Am nächsten Tag vermerkt er:
»Von den gestrigen Liebesgaben sehen wir nichts.«
Der Hunger war groß im Lager. Jeder spürte, daß die Lebensenergie mehr und mehr abnahm und sich ein langsames Sterben von innen heraus im Körper ausbreitete. Direkter und massiver kam der Tod von außen. Willkürlich schossen die Posten in der Nacht aber auch tagsüber auf die Gefangenen im Lager. Nach dem »Zapfenstreich« - ein Hornsignal - um 22 Uhr mußten die Gefangenen zu je 10 Mann wie die Ölsardinen in einer geöffneten Büchse nebeneinander liegen, abgeteilt durch Lagergassen zwischen den Zehner-, Hunderter- und Tausenderschaften. Mit Autoscheinwerfern versuchten die Posten die Gefangenen zu blenden. Bis zum Wecken um 6 oder 7 Uhr durfte sich niemand bewegen. Man mußte darauf achten, daß man sich nicht im Schlaf umdrehte oder sich Teile der Kleidung oder der Decke im Wind bewegten. Es wurde andererseits ohne jeden erkennbaren Grund geschossen. Ich erinnere mich an einen Kameraden, dem nachts wenige Meter neben mir die Gurgel durchschossen wurde. Keiner konnte irgendeine Hilfe leisten, er hätte sein und anderer Leben dabei riskiert.
Als in der Nacht zum 6.7. die amerikanischen Posten 6 Gefangene tödlich verwundet und mehrere verletzt hatten, wurde es nötig, Schutzmöglichkeiten vor den Schüssen der Posten zu suchen. Mit Händen, Löffeln und Blechdosen versuchte jeder allein oder zu dritt oder viert Deckungsgruben in die Erde zu graben, die mindestens 30 cm tief und 2 Meter lang sind. Die deutsche Lagerverwaltung hatte in den Gebäuden der Keramchemie alle noch auftreibbaren Dachlatten, Pappstücke, Verdunklungspapiere und Bindfäden gesammelt und zum Abdecken der Erdlöcher ausgegeben. Diejenigen, die noch eine Decke oder eine Zeltplane hatten, versuchten damit einen Schutz gegen den Regen und Wind zu schaffen. Der Westerwald ist für seine kalten Winde bekannt, zudem war der Sommer 1945 sehr regnerisch. Das Wasser lief von den schlammigen Lagergassen in die Deckungslöcher. Es mußte tagsüber mit Konservendosen wieder herausgeschöpft werden. Viele lagen nächtelang mit durchnäßten Sachen in den Löchern. Manche flüchteten heraus auf die aufgeworfene Erde, um dem Wasser und dem Schlamm zu entgehen. Sie mußten dafür die Angst, von den Posten angeschossen zu werden, in Kauf nehmen. Schlimm waren die dran, die versucht hatten, ihre Schlaflöcher mit Erde abzudecken. Pappe und Papier konnten den stundenlangen Regengüssen nicht standhalten, der zu Schlamm gewordene Regen- und Kälteschutz fiel auf die Schlafenden und drohte sie zu ersticken. Die sich nicht mehr selber befreien konnten, riefen um Hilfe. Es konnte ihnen aber vor dem Wecken niemand helfen, da ja jede Bewegung verboten war. Nach dem Wecken wurden die Toten und Verletzten der vergangenen Nacht zur Lagerverwaltung gebracht. Es ist nicht bekannt, ob diese in der Lage war, Listen über die Opfer anzulegen. Die Gefangenen selber konnten nur in ihrer unmittelbaren Umgebung die Anzahl der Opfer registrieren. In den Aufzeichnungen befinden sich folgende Angaben: Alle Zeugen schildern den 8.7. als besonders schrecklich. Dieser Tag war sehr heiß, es gab kein Essen und einzelne konnten sich nicht mehr auf den Beinen halten. Gegen 18 Uhr kamen in Schützenreihe bewaffnete Franzosen, sie lösten die amerikanischen Posten ab. Es ist bis heute unklar, wer diese Bewaffneten waren. Auf Grund ihres Verhaltens läßt sich vermuten, daß sie nicht reguläre Soldaten sondern ehemalige Maquis, also Partisanen aus der französischen Widerstandsbewegung waren.[10] Den Zapfenstreich um 22 Uhr leiteten sie gleich mit einer andauernden Schießerei ein. In der darauf folgenden Nacht gab es dann wieder ein große Zahl von Opfern. Am Morgen wurden 5 Tote und 10 Verwundete von mir gezählt.[11] Am 15.7. ist 1 Toter mit Kopfschuß registriert, am 22.7. 1 Toter und 4 Verwundete, am 29.7. gibt es kurz nach dem Wecken um 6 Uhr 3 Tote und 3 Verwundete, am 31.7., 5.8. und 6.8. jeweils einen Verwundeten. Mit dem 11.8. wird wieder ein besonders schwerer Tag registriert: Die Gefangenen müssen den ganzen Vormittag über in Reih und Glied stehen und dürfen sich nicht bewegen. Angeblich sind in der Nacht zuvor einige Kameraden im Schutze des Regens geflüchtet. Plötzlich werden über Lautsprecher die Tausendschaftsführer aufgefordert vorzutreten. Beim Verlassen der Reihe wird sofort auf sie geschossen, der Führer der 7. Tausendschaft bricht mit einem Kopfschuß tödlich verletzt zusammen. Am 12.8. 1 Verwundeter, am 19.8. gegen 18 Uhr eine längere Zeit andauernde Schießerei mit einer unbekannten Zahl von Toten und Verwundeten, am 20.8. wird unser Hundertschaftsführer am Abort erschossen - nach Gerüchten von dem Lagerkommendanten selber - am 1.9. 14 Verwundete, am 2.9. 1 Gefangener, der mit dem Posten am Zaun sprechen will, wird von diesem erschossen. Die Geschichte der Gemeinde Siershahn berichtet, daß auch Gefangene in die Kommandantur zum Verhör abgeholt und danach sogleich erschossen wurden.[12]
Die Seiten 32 bis 35 aus dem Tagebuch von Paul Plachta, Oberführberger Str. 67, D-90768 Fürth/Bay., im Besitz des Autors.
Die Angst, Not und Verzweiflung, die durch dieses willkürliche Schießen unter den hungernden Gefangenen verbreitet wurden, gibt der eindrückliche Bericht des Kameraden Venghaus über das langsame Sterben eines getroffenen Kameraden in der Nacht zum 25.7. exemplarisch wieder:
»Nachdem es wieder etwas ruhiger geworden ist, höre ich in unmittelbarer Nähe hinter unserem Deckungsloch ein furchtbares Gestöhne. Es reißt überhaupt nicht ab. Auch meine Unterstandskameraden lauschen. Draußen ist es sehr windig. Es rappelt und flattert überall. Auch an unserer Bude flattert ein Deckenzipfel. Wir machen diesen Zipfel wieder fest und lauschen weiter auf das Jammen. "So helft mir doch! - Au, tut das weh!" Und so geht es laufend weiter... Es ist schrecklich anzuhören. Immer und immer wieder. "Oh helft mir doch! Es tut so weh! - Wasser, Wasser!" Vereinzelt wird immer noch geschossen... Verhaltene Rufe sind zu hören: "Was ist passiert?" - "Könnt ihr nichts machen?" - "Soll ich mal rüberkommen?" - "Bleib lieber wo Du bist, die Schweine schließen sonst!" Das herzzerreißende Jammern und Stöhnen unseres getroffenen Kameraden reißt nicht ab. Stunden vergehen. Jetzt erlebe ich in unmittelbarer Nähe, was sich seit unserem Eintreffen fast Nacht für Nacht abspielt. Nacht für Nacht Schießereien der Posten mit Toten und Verwundeten. Wenn man nicht selbst Getroffener oder in unmittelbarer Nähe eines Getroffenen Zeuge einer solchen Szene ist, kann man gar nicht ermessen, wie brutal und grausam alles ist. Das morgendliche Gerede und Gefrage, wieviel Ausfälle hat es in der Nacht gegeben, war schon zur täglichen Routine geworden. Es berührte den Einzelnen gar nicht mehr. Dies hier war anders. Inzwischen war es drei Uhr geworden. Es beginnt zu regnen. Die Stimme des getroffenen Kameraden wird nach und nach leiser. Die Zeiträume zwischen den einzelnen Schmerzensäußerungen werden größer. Es ist zum Gotterbarmen. Immer wieder dazwischen die Worte: "Mama, Mama, Mama!" Jetzt scheint er auch schon zu phantasieren, denn es kommen jetzt Sätze wie: "Hilf doch Deinem Jungen!" - "Ich habe mir doch so weh getan!" Als die Nacht dem Morgen weicht, ist es ganz still geworden. Es ist nichts mehr zu hören. In ohnmächtiger Wut fragen wir uns: "Ob er noch lebt?" - "Ist er gestorben?" Das Schlimmste aber ist die bohrende Frage: Warum muß das sein? Und: Was hast du selbst getan um zu helfen? Nichts! Du hast nur in deinem Drecksloch gelegen und wenn es zu schlimm wurde, die Finger in die Ohren gesteckt - wie Vogel Strauß seinen Kopf in den Sand - und dabei gedacht, warum hört er denn nicht endlich auf. Man hat den Herrgott angefleht, laß ihn doch in Ohnmacht fallen, damit er seine Schmerzen nicht mehr spürt. Laß endlich morgen werden, damit wir ihn zur Lagerkommandantur in ärztliche Behandlung abgeben können. Das war alles. Man schämt sich seiner. Aus Wut wird Haß. Der Haß wird immer größer, nicht nur auf die anderen, die Posten, nein auf sich selbst, weil man nicht helfen kann oder glaubt, nicht helfen zu können. Und wenn ich noch -zig Seiten damit fülle, so werde ich doch nicht in der Lage sein, alle meine Empfindungen in dieser Nacht niederzuschreiben. Nur noch eins: Haß ist das eine, Verzeihen das andere. Doch als Trost für alle bleibt: Die Vergebung der Sünden liegt in Gottes Hand. - Kurz vor dem Wecken - es ist jetzt hell - kommen vom Lagergebäude, der Kommandantur zwei Mann mit einer Bahre. Wie wir vermutet hatten, halten sie in der 2. Lagergasse hinter uns - etwa zehn Meter entfernt - und laden jemanden auf. Dahei rufen sie: "Bleibt in Euren Löchern, der Schießbefehl ist noch nicht aufgehoben, für uns gilt eine Ausnahme!" Später hieß es, der Kamerad habe einen Bauchschuß erhalten, er habe beim Abtransport noch gelebt, er war bewußtlos. Was aus ihm geworden ist? Ich halbe nichts mehr darüber gehört. Er war noch blutjung.«
Wieviele Tote es in diesen Sommermonaten im Lager Siershahn gegeben hat, ist heute nicht mehr feststellbar. Die Gräberstätte auf dem Friedhof Siershahn hat 69 Beisetzungen. Die Chronik der Gemeinde zählt 92 Lagertote. Nachforschungen haben ergeben,[13] daß weitere 18 Tote aus dem Lager Siershahn mit Sterbedaten zwischen dem 11. und 29.7. in Dernbach (4), Ebernhahn (4) und in Mogendorf (11) begraben worden sind. Wievielen es gelang, der Lagerumzäunung lebend zu entkommen, wird auch unbekannt bleiben. Dieses dürfte nur sehr wenigen gelungen sein. Nach der einzig bekannten Flucht einiger Kameraden in der Nacht zum 11.8. mußten alle Gefangenen drei Stunden zur Strafe stehen, dabei wurde die Warnung verkündet, daß in Zukunft für jeden Geflohenen 15 Kameraden erschossen würden.[14]
In die Lagerzeit fiel eine drei Wochen andauernde Regenzeit. Sie hat neben der Unterernährung zum Kräfteverfall der Geschwächten beigetragen. Nach dem 19.8. brach im Lager die Ruhr aus, die ihre Opfer forderte.[15] Häufig trat Durchfall auf. Er wurde möglicherweise durch ungekochte Kartoffeln und rohes Gemüse begünstigt. Nachts wurde es für die Betroffenen schwierig, sie konnten nicht zum Abort gehen. Da mußten Konservendosen herhalten. Andererseits war der geregelte Stuhlgang - da es zu wenig Festes zu essen gab - auch schwierig. Es kam nur alle 4-5 Tage dazu und das unter langem, schmerzlichem Pressen. Jeder hatte mehr oder weniger Schwierigkeiten mit Gliederreißen und mit den Knochen. Das Fleischpolster war weg, und beim Liegen schmerzten bald Druckstellen, sie ließen einen ruhigen Schlaf nicht zu.
Zu den niederdrückenden Regeln gehörte das zweimalige Antreten zum Vollzähligkeitsappell an jedem Tag. Alle Gefangenen mußten ohne Rücksicht auf ihre Verfassung in Zehner-, Hunderter- und Tausenderblocks in der Reihe stehen. Drei oder mehr Bewacher zählten einzeln nacheinander die Reihen ab, verglichen ihre Zahlen und begannen bei Unstimmigkeit von vorn. Das konnte stundenlang dauern. Wenn Kameraden aus Schwäche umfielen, durften sie nicht aufgehoben und gestützt werden. Die Zähler stiegen über sie hinweg. Zweimal (am 22. und 23.7.) mußte das ganze Lager von 7:30 bis 12:30 Uhr, bzw. 11 - 13 Uhr geschlossen stehen bleiben. Es hieß, ein General wolle das Lager besichtigen, er erschien aber nicht.[16] Deprimierend war auch das wiederholt durchgeführte »Filzen«, eine Kontrolle der Habseligkeiten des einzelnen Gefangenen. Schon bei der Einlieferung in die Sammelzentren waren vielen Kameraden Ringe und Uhren abgenommen worden. Jetzt im Lager ging es um die letzte persönliche Habe. Angetreten in einer Reihe, mußte jeder sein Eigentum vor sich auf dem Boden aufgereiht hinlegen. Die Bewacher nahmen sich, was ihnen noch brauchbar erschien oder zerschlugen es, wie z. B. die kleinen Butterdosen, die einmal zur Ausrüstung gehört hatten. Man mußte auf Tricks verfallen, um etwas zu retten, Geld oder Aufzeichnungen am Körper und in leeren Zahnpastatuben verstecken. Schlecht erging es denjenigen, die noch gute Schuhe und diese nicht durch aufgenähte Flicken oder andere Verunzierungen »getarnt« hatten. Sie waren sie los. Einzelne Posten unternahmen - nachdem sie die Außenposten verständigt hatten - Raubzüge durch das Lager. Sie rissen den Kameraden die Schuhe von den Füßen und ließen auch noch Decken mitgehen.[17] Beim letzten »Filzen« vor dem Abtransport aus dem Lager wurde noch einmal stundenlang Jagd auf letzte persönliche Habe gemacht. Dabei wurden auch noch vorhandene doppelte Kleidungstücke, wie Hemden und Socken abgenommen.
Wie hat die Außenwelt das Lager erlebt? Dazu eine Stimme aus der Geschichte der Gemeinde Siershahn. Graf Meran suchte am 27.8. die Werksleitung der Keramchemie auf. Dabei konnte er das Lager einsehen. Er berichtet:
»Ein Blick von der Ferne in das Lager war ein Blick ins Elend und in Trostlosigkeit, da sich die Erde vom Bahnhof bis zur Höhe des Berges bewegte von Menschen, die im Schlamm der Erde, die durch die häufigen Regengüsse sich in einen Sumpf verwandelt hatte, lagen - ein Inferno, das derjenige, der es gesehen hat, niemals vergessen wird. Was durch Hunger, Krankheit und Verzweiflung Tausende damals auf nackter Erde erleben mußten, ist unvorstellbar, und viele Menschen haben das Lager nicht mehr lebend verlassen. Ununterbrochen fielen Schüsse, und es war lebensgefährlich, sich dem Stacheldraht zu nähern.«[18]
Dennoch - überleben wollten alle Gefangenen. Der Krieg war ja vorbei. Ich habe von keinem Selbstmord im Lager gehört. Viele wußten, daß sie keine Heimat mehr hatten. Sie lebten mit der Frage, ob die Angehörigen tot oder an unbekannte Orte vertrieben waren. Die Söhne von Bauern sahen mit Schmerzen, wie das Getreide auf umliegenden Feldern wuchs und geerntet wurde. Sie fragten sich, wie die Arbeit zu Hause ohne sie geschafft würde. Man versuchte, sich mit vorhandenen Dingen zu beschäftigen. Aus Teilen von Decken wurden Kleidungsstücke genäht, dazu Fäden gezogen und von irgend jemand eine Nadel eingetauscht. Ein König war, wer ein Buch besaß. Er konnte ausleihen, und was wichtiger war, gegen andere Bücher tauschen. Je dicker ein Buch war, desto größer waren die Chancen, viel Lesestoff wiederzubekommen. So intensiv sind Bücher wohl selten gelesen worden, sie halfen für kurze Zeit, die Umwelt zu vergessen. Getauscht wurde alles, was noch vorhanden war und entbehrlich erschien: Ringe, Uhren, Strümpfe, Briefmarken, Rasierklingen zumeist gegen ein Stückchen Brot oder gegen Zigaretten. Gemeinsame Äußerungen eines religiösen Lebens waren unmöglich. Zweimal versuchten einige Kameraden, sich zu einer Andacht in einen Kreis zu stellen, sie wurden durch Schüsse auseinandergetrieben. Es galt: Viel liegen, um Kräfte zu sparen, solange es die durchdrückenden Knochen zuließen. Und die Sonne, wenn sie mal schien, auszunutzen. Die Gedanken waren auf das tägliche Überleben ausgerichtet: Warten auf das Essen, warten auf Sonne und Wärme. Und auf die Zukunft. Jeder hatte Sehnsucht danach, noch einmal wie ein zivilisierter Mensch essen, schlafen und sich waschen zu können. Die Vorstellung von einem geregelten Leben ohne die ständige Angst, jederzeit angeschossen werden zu können, war wie ein ferner Traum.
»Kriegsgräber (1961), hier wurden mindestens 65 ehemalige Insassen des Kriegsgefangenenlagers "Berggarten" beerdigt, die dort entweder erschossen wurden oder verhundert sind.« Geschichte der Gemeinde Siershahn,[1] S. 384.
Ab Anfang August kamen Gerüchte auf, daß das Lager bald geräumt werden solle. Tatsächlich wurden Offiziere, Jugendliche und Versehrte mit unbekanntem Ziel aus dem Lager weggebracht. Daran knüpften viele die Hoffnung, daß sie entlassen würden und daß dies der Anfang einer allgemeinen Entlassung sein könnte. Dann aber wurden sog. Marschblocks zu je 500 oder 1.000 Mann zusammengestellt. Angeblich sollten diese in ein 30 km entfernt liegendes Lager marschieren. Nun hieß es, ein französischer Arzt, den allerdings niemand gesehen hatte, habe den Marsch nicht genehmigt, weil die Gefangenen dazu körperlich nicht mehr in der Lage seien. Zwischendurch aber verstummte nicht das Gerücht, daß alle Gefangenen zu 25 Jahren Zwangsarbeit in Frankreich verurteilt seien. Als schließlich ab 16.8. die ersten Marschblöcke auf Lkw getrieben wurden, begleitete diese die wohl gezielt verbreitete Parole, daß sie in ein Barackenlager nach Andernach gebracht würden, um dort registriert und entlassen zu werden. Andererseits aber wurde auch verkündet, daß auf einen jetzt noch vorhandenen Besitz einer Landkarte oder eines Kompasses die Todesstrafe stehe.
Das Ziel Andernach sollte für die Gefangenen aus Siershahn stimmen. Statt der erwarteten Baracken aber gab es dort auch nur wieder freies Feld und statt der Entlassung Knüppelschläge, mit denen die von den Lkw Springenden in die Umzäunungen getrieben wurden. Hier gab es nichts zum Schutz, keine Erdlöcher, keine Decken oder Zelte. Bald darauf erfolgte die Verladung in Viehwaggons mit Zielbahnhöfen in Frankreich.
Die Bestimmung des DEF-Lagers Siershahn
Das Lager in Siershahn war nur eines in der Reihe der Gefangenenlager, die die Alliierten nach dem 9.5.1945 anlegten. In diesen hielten sie vornehmlich ehemalige Soldaten, aber auch Zivilisten beiderlei Geschlechts, Jugendliche und Versehrte gefangen. In anderen Lagern ist es wahrscheinlich auf Grund der Zusammenballung einer noch größeren Anzahl von Gefangenen grausamer als in Siershahn zugegangen. Zumal es hier der Bevölkerung gelang, gegen die militärische Verwaltung etwas Lebensmittelhilfe durchzusetzen.
In diesen Lagern waren die ehemaligen deutschen Soldaten in eine groß angelegte Falle der Sieger geraten. Da sie der Meinung waren, daß sie nach der Kapitulation nicht mehr als Kriegsgefangene angesehen werden können, lebten sie in dem arglosen Glauben an ihre Entlassung aus dem Militärverhältnis. Aber die Politik der Alliierten hatte längst anderes beschlossen. Nach der alliierten Forderung der bedingungslosen Kapitulation der Achsenmächte im Januar 1943 auf der Konferenz von Casablanca erklärte NS-Propagandaminister Goebbels bekanntlich am 18.2.1943 den »totalen Krieg«. Spätestens aber nach dem mißglückten Attentat auf Hitler kamen in der Politik der Gegner Deutschlands diejenigen vollends zum Zuge, die zusätzlich zur bedingungslosen Kapitulation den staatlichen und wirtschaftlichen Untergang Deutschlands forderten.[19] Diese "totale Sieg"-Strategie betraf auch gerade die Gefangenen, die den Siegern nach ihrem Sieg in die Hände fielen. Als mit der Kapitulation alle alliierten Gefangenen, die während des Krieges in deutscher Gefangenschaft waren, wieder die Freiheit erlangt hatten, nahmen die Sieger keine Rücksicht mehr auf international gültige Regeln in der Behandlung von Menschen. Mit der Auflösung der deutschen Regierung gab es für die Verlierer auch keine Vertretung mehr.
Die Amerikaner schufen für die deutschen Soldaten, die nach der Kapitulation gefangen genommen wurden, den neuen DEF-Status (Disarmed Enemy Forces). Dieser völkerrechtswidrige Status beinhaltete, daß die Gefangenen nicht wie Kriegsgefangene behandelt werden durften: Das Internationale Rote Kreuz durfte keinen Zugang zu diesen Lagern bekommen, Die Gefangenen durften keine Verbindung zur Außenwelt haben und keine Post empfangen. Die Verpflegung mußte unter das Existenzminimum reduziert werden.[20] Der amerikanische Befehlshaber Eisenhower ordnete am 21.4.45 an, daß die Gefangenen auf freiem Feld in Stacheldrahtumzäunungen unterzubringen waren. Er verbot ausdrücklich, Unterkünfte einzurichten.[21] Ursprünglich betrug die Flächenbewilligung für einen Gefangenen 16 qm. In der Realität betrug sie dann zeitweilig nur 3 qm.[22] Mit diesen rigorosen Maßnahmen wurde - verbunden mit der Auszehrung der Männer durch den Hunger und die Witterungseinflüsse - erreicht, daß Fluchtmöglichkeiten geradezu ausgeschlossen wurden.[23] Die Engländer und Kanadier schlossen sich dem Verhalten der Amerikaner und Franzosen nicht an.
Die Überführung der Gefangenen in den tödlichen DEF-Status begann am 4.5.1945. Nach dem Zahlenmaterial, das Bacques vorlag, sind 2.126.545 Gefangene zwischen dem 4.5. und 2.6.45 in diese Situation gekommen.[24] Was diese Gefangenen nicht wußten und was sich in den Lagern schließlich gerüchteweise verdichtete, war, daß der größte Teil von ihnen längst dazu verurteilt war, nach Frankreich zur Zwangsarbeit deportiert zu werden.
Ursprünglich sollen dafür 1.750.000 Gefangene von den Franzosen angefordert worden sein. Sie sollen jedoch nur etwa 730.000 - 886.000 Gefangene - in der Mehrzahl in den Monaten Juli bis September 1945 - erhalten haben.[25] Schon bei der Überstellung müssen Absicht und Willkür der Sieger in Widerspruch geraten sein. Einerseits sollten die Gefangenen für den Einsatz in Frankreich arbeitsfähig sein, andererseits tat man alles, um sie zu dezimieren und verhungern zu lassen. Die Verhältnisse führten bald zu Auseinandersetzungen zwischen Amerikanern und Franzosen, die sich gegenseitig die Schuld an dem massenhaften Sterben der Gefangenen zuschoben. Sie führten zu Lügen,[26] Rücktritten von französischen Lagerkommandanten, die vergeblich versuchten, willkürliche Erschießungen einzudämmen, und Appellen von verschiedenen Seiten an die französische Regierung mit der Feststellung, daß die Situation der deutschen Gefangenen schlimmer als in den ehemaligen deutschen Konzentrationslagern sei. Wiederholt werden in diesem Zusammenhang die Lager Buchenwald und Dachau genannt.[27] Auch in Amerika wurde Widerspruch laut. Dorothy Thompson schrieb:
»Dieses Land hat mit unserer Zustimmung, mit unserer Komplizenschaft und in Verletzung der Genfer Konvention (Gefangene) als Sklavenarbeiter eingesetzt [...] Wenige mögen sich jetzt erinnern, daß Präsident Roosevelt sich im September 1944 dem deutschen Volk gegenüber ausdrücklich verpflichtet hat, als er sagte: "Die Alliierten treiben keine Sklaverei mit Menschen." Und sie stellte dann die Frage: "Begreifen es denn nur wenige Menschen, daß wir nach unserem Sieg über Deutschland, wenn wir Hitlers Maßstäbe und Hitlers Methoden übernehmen, Hitler zum wahren Sieger machen?"«[28]
Schließlich ließ Eisenhower die weitere Überstellung der Gefangenen an die Franzosen mit der Begründung einstellen, sie seien an dem massenhaften Sterben der Lagerinsassen schuldig. Zu dieser Zeit war es schon nicht mehr möglich, eine zutreffende Zahl der Toten in den Lagern festzustellen, weil die Gefangenen zwar gezählt, nicht aber namentlich registriert wurden. Bacques schätzt die Zahl der Toten auf zweifelslos mehr als 800.000.[29] Wer sollte auch die Toten insgesamt listenmäßig erfaßt haben, die die Transporte nach Frankreich nicht überlebten?[30]
Ohne Zweifel handelte es sich bei den von den Amerikanern und Franzosen geschaffenen Verhältnissen in den Lagern um einen Racheakt für die von der nationalsozialistischen Regierung begangenen Verbrechen in den Konzentrationslagern.[31] Für diese aber waren die deutschen Soldaten nicht verantwortlich. Das Unrecht, das ihnen angetan wurde, wird dadurch drastisch erhellt, daß zu der gleichen Zeit im Prozeß in Nürnberg die Deutschen Speer und Saukel dafür verurteilt wurden, daß sie aus den besetzten Ländern zwangsweise Arbeitskräfte für die Kriegswirtschaft heranzogen.[32] Die Zielvorstellung der Alliierten für die Gefangenenlager - wie in Siershahn - war neben einer Bereitstellung von Hunderttausenden für die Deportation auch der Vorsatz, Rache zu üben.
Schließlich lag die Rettung für die Überlebenden darin, daß sich in der amerikanischen Öffentlichkeit der Widerspruch gegen die Rachepolitik, die dem ganzen deutschen Volk Hunger und Elend verordnete, bemerkbar machte. Und die französische Seite mußte begreifen, daß Sterbende und körperlich Schwache keine Arbeitsleistungen erbringen konnten. Auch suchten sie für ihre kriegerische Auseinandersetzung in Vietnam aus dem deutschen Gefangenenreservoir Soldaten für ihre Fremdenlegion zu pressen. Diese »Freiwilligen« wurden im Sichtbereich der Lager aufgepäppelt. Zudem veranlaßte der sich abzeichnende Ost-West-Konflikt die Alliierten zu einer vorsichtigeren Behandlung der Deutschen. Ab 1948 veränderte sich darum die Situation der Gefangenen in Frankreich. Vorher aber war es für viele Gefangene entscheidend, daß sie - wenn sie nicht gerade in einen kasernierten Einsatz in Kohlegruben oder in Minensuchkommandos gerieten - Kontakt mit der französischen Zivilbevölkerung bekamen, die sich überwiegend in menschlicher Weise zu den abgezehrten Gefangenen verhielt, und ihnen trotz des Kontaktverbotes mit Nahrungsmitteln half, wieder auf die Beine zu kommen.[33]
Auch die deutsche Öffentlichkeit ist schnell über die Ereignisse des ersten Nachkriegsjahres hinweggegangen. Sie mußte und wollte sich mit den Siegern arrangieren. Trauer und der vergebliche Ruf nach Gerechtigkeit wurde in Ost und West zum Schicksal des einzelnen. Ebenso wie die Wirklichkeit in den deutschen Konzentrationslagern vor der eigenen Bevölkerung abgeschirmt wurde, so verboten auch die Sieger, daß über die Greuel in ihren Lagern gesprochen wurde. Damit wurde die Berechtigung eines Schuldbewußtseins nur der deutschen Seite zugesprochen, für die alliierte Seite aber nicht zugelassen. Es kam zu einer Komplizenschaft in der politisch opportunen Lüge:
»So glaubten die verwundeten Deutschen, überzeugt wie wir, daß wir solche Dinge nie und nimmer tun könnten, ebenso fest wie wir, daß wir solche Dinge auch nicht getan hatten.«[34]Die Unterdrückung von Wahrheit und Gerechtigkeit in der ersten Nachkriegszeit war ein schlechter Grundstein für die nach dem Krieg entstehenden Regierungssysteme in Ost- und Westdeutschland. Sie begleitet uns bis heute in Gestalt einer selbst auferlegten Geschichtslosigkeit mit den Folgen einer brüchigen Identität. Diese wird durch einen Mangel an Glaubwürdigkeit in die Politik und an ihre Vertreter verstärkt. Sie führt zu einer Besorgnis erregenden Schwäche des politischen Systems der Bundesrepublik, die nach der Vereinigung deutlich zu Tage tritt.
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Anmerkungen:
[1] Geschichte der Gemeinde Siershahn, Siershahn 1986 (nachfolgend Siershahn); S. 294f.: Karte, auf der die Umrisse des Lagers eingetragen sind; S. 363f.: persönlicher Bericht des Priesters H. Hopmann über seine Gefangenschaft in diesem Lager; S. 383ff. »Die Kriegsgräberstätte«; S. 397f.: Chronik des Deutschen Roten Kreuzes Siershahn.
[2] Der Hang hat eine Höhe von 340 m. Die amerikanische Bezeichnung für das Lager hieß PW Stockade A-18.
[3] James Bacques, Der geplante Tod - Deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945-1946, Ullstein, Frankfurt/Main 1989.
[4] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 295.
[5] In Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 385, wird unter der Nr. 65 für einen Gestorbenen als Todesursache »Behandlung in der Arrestzelle« angegeben. Vermutlich ist mit der Arrestzelle dieser Käfig gemeint.
[6] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 397: 25.000 - S. 295: ca. 30.000 Gefangene.
[7] W. Venghaus, »Tagebuch des Kriegsgefangenen POW 31g-1.050.762 bzw. PGNrs A - 402/1.155.168.«, in: Die Hellebarde, Nachrichten der Kameradschaftsvereinigung, Suchdienst Frundsberg 9/1986.
[8] So am 30.9. und 5.8 in unserem Camp. Besonders schlimm war für das ganze Lager der 8.7. Er blieb ohne Verpflegung, weil die Franzosen an diesem Tag das Lager übernahmen.
[9] H. Schmidt gibt in Der Freiwillige 6/1991, Munin Verlag, S. 22, den Bericht eines Siershahner A. Franke wieder, der Augenzeuge der Beerdigungen war: Je 12 Gefangene hätten die mit Papier bedeckten Toten auf mehrere Wagen zum Friedhof gebracht und in die Grube geworfen. In dem Massengrab auf dem Friedhof Siershahn seien nicht 69, sondern 84 Tote begraben. Nach dem Begraben habe der verantwortliche Franzose von den Gefangenen ein Küßchen verlangt.
[10] W. Venghaus vermutet, daß es sich um sog. Gaullisten gehandelt habe. H. Reith schreibt, daß es sich um Soldaten der F.F.I. (Forces Françaises de l'Interieur), einen Teil der franz. Widerstandskräfte, gehandelt habe.
[11] W. Venghaus vermerkt am 9.7. 6 Tote und mehrere Verwundete und am 29.7. 2 Tote und 1 Verwundeten. Kamerad Venghaus und ich müssen innerhalb des Lagers in verschiedenen Camps gewesen sein. Darum weichen die Zahlenangaben ab, sie können jeweils nicht für das ganze Lager gelten.
[12] Der Priester H. Hopmann berichtet: »Eines Abends gegen 11 Uhr wurden drei solcher Kameraden tot in das Lazarett gebracht. Sie waren - das konnte man an den Leichen deutlich sehen - aus einer Entfernung von etwa 3-4 mtr. mit Maschinenpistolen erschossen worden.« Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 363 f.
[13] Lt. Mitteilung Archiv Jost W. Schneider, Am Deckershäuschen 32, Wuppertal: Betr.: Lagertote des frz. Kgf.-Lagers Siershahn/Westerwald, Sommer 1945. Bez.: bekannt, sowie Prof. Erich Maschke, Kurt W. Böhme, Horst Wagenblaß, Zur Geschichte der dt. Kgf. des 2. W.K. Bd. XIII, Bielefeld 1971.
[14] Nach damaligen Gerüchten ist zwischen 7 und 20 Kameraden die Flucht gelungen.
[15] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 384f, gibt 7 an Ruhr Verstorbene an.
[16] Auch am 3.8. mußten wir von 15:30 bis 20 Uhr und am 11.8. von 10 bis 13 Uhr stehen.
[17] Nach W. Venghaus gelang es am 28.7. einem Kameraden, die französische Kommandantur zum Eingreifen zu veranlassen, als nachmittags wieder Franzosen Gefangene im Lager ausraubten. Die Posten rächten sich in der darauffolgenden Nacht, es gab wieder zwei Tote und einen Verwundeten.
[18] Siershahn, aaO. (Anm. 1), S. 295
[19] Siehe dazu die Aktennotiz über die Besprechung zwischen Roosevelt und Churchill vom 16. Sept. 1944 über den Morgenthauplan in J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 24.
[20] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 76 f.
[21] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 47.
[22] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 50 und 61.
[23] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 15: Fluchtversuche machten weniger als 0,1 % aus.
[24] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 251.
[25] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 45, 57 und 228(1).
[26] So wurde in einer amerikanischen "Untersuchung" behauptet: »Alle zu Wiederaufbauarbeiten in Frankreich überstellten Gefangenen waren voll ausgerüstet mit persönlicher Bekleidung, entweder 2 Decken oder einer Decke und einem Mantel, Rationen für 2 Wochen, Medikamenten für 2 Wochen und befanden sich in körperlichem Zustand, der sie zum Arbeitseinsatz befähigte, abgesehen von einer ganz geringfügigen Anzahl, die möglicherweise von amerikanischen und französischen, mit der Ablieferung beauftragten Offizieren übersehen worden ist.«; vgl. J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 127.
[27] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 104, 109, 114, 123 und 131.
[28] J. Bacques, aaO. (Anm. 3) S. 180.
[29] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 15.
[30] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 37 und 138, berichtet, daß Züge nur noch mit Toten an ihren Zielorten ankamen. Dieses habe ich auch von Kameraden gehört. Es ist zu vermuten, daß es sich dabei um Züge handelte, die tage- oder wochenlang abgestellt stehen gelassen wurden. Der Transport, mit dem ich von Andernach nach Lyon gebracht wurde, war 4 Tage und Nächte unterwegs - ohne Verpflegung und Trinken. Beim Halten spielten sich schlimme Szenen ab. Beim Ausladen schlugen die Bewacher solange mit Knüppeln auf die Gefangenen ein, bis alle aus den geöffneten Schiebetüren herausgepurzelt waren und der Elendzug von der Örtlichen Bewachungsmannschaft übernommen war. Dabei konnte niemand von uns feststellen, wieviele Kameraden in den Waggons liegen geblieben waren.
[31] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 21, zitiert Roosevelt: »Wir müssen hart mit Deutschland umgehen, und ich meine das deutsche Voll, nicht nur die Nazis. Entweder müssen wir das deutsche Volk kastrieren, oder man muß die Deutschen in einer Weise behandeln, daß sie nicht immerzu Leute in die Welt setzen, die so weitermachen wollen wie früher.«
[32] A. Speer, Spandauer Tagebücher, Ullstein, Frankfurt/Main 1975, S. 83.
[33] So erging es auch dem Verfasser dieses Berichtes. Bei seinem ersten Arbeitseinsatz Ende 1945 in einer Polizeistation in Lyon gaben die Beamten uns Brot und übernahmen selber schwere Arbeiten, bei denen einige Kameraden aus Schwäche zusammengebrochen waren. Von den Beamten waren einige in deutscher Gefangenschaft gewesen und gut behandelt worden.
[34] J. Bacques, aaO. (Anm. 3), S. 178.
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koszi szepen az elismerest, otthon is jartam iskolaba, oroszul is tanultam,de sajnos mar igen elfelejtettem...
los angelesben csak egy eve vagyok, az elmult husz-egynehany evben meg connecticutban laktam, ott nem sok spanyol ragadt ram....
kerded mi kell meg?
hat szeretnem azt a roman bukkfanyelvet egy kicsit megtanulni, mert a felesegem csikszeredai
legalabb annyira, hogy el tudjam oket oda kuldeni ahova valok.....
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